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Dieser Artikel stammt aus
Publik-Forum, Heft 2/2024
Der Inhalt:

Pro und Contra
Fördergeld nur gegen Bekenntnis?

Nach heftiger Diskussion wurde in Berlin eine gerade erst eingeführte Antidiskriminierungsklausel gekippt. Dabei ging es um Antisemitismus und um den Staat Israel. Sollte es diese Klausel trotzdem geben?
vom 23.01.2024
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Wie hast du’s mit Israel? In Berlin hat die Antidiskriminierungsklausel heftige Diskussionen hervorgerufen. (Foto: PA/SZ Photo/Olaf Schülke)
Wie hast du’s mit Israel? In Berlin hat die Antidiskriminierungsklausel heftige Diskussionen hervorgerufen. (Foto: PA/SZ Photo/Olaf Schülke)
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Nicholas Potter: Ja!

Wer eine Antidiskriminierungsklause, die sich auch konsequent gegen jeden Antisemitismus richtet, vehementer bekämpft als den Antisemitismus selbst, ist an einer wirklich diskriminierungsfreien Kulturszene schlicht nicht interessiert. Der Berliner Kultursenator Joe Chialo wollte, dass seine Senatsverwaltung fortan eine solche Klausel an potenzielle Zuwendungsempfänger schicken wird. Damit sollte sichergestellt werden, dass Rassismus, Queerfeindlichkeit und eben auch Antisemitismus nicht mit öffentlichen Geldern gefördert werden. Und dass die Fördermittel nicht an terroristische oder extremistische Gruppen fließen.

Dieser Artikel stammt aus Publik-Forum 02/2024 vom 26.01.2024, Seite 8
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Die extreme Rechte hätte genug Gründe gehabt, um dagegen zu protestieren. Doch die lauteste Kritik kam ausgerechnet von Künstlern, die sich eher als links verstehen. Ein offener Brief gegen die Klausel versammelte Tausende Unterschriften. Es sei um »die Wahrung von Kunst- und Meinungsfreiheit« gegangen, um die vermeintlich »umstrittene« Antisemitismusdefinition der Internationalen Allianz zum Holocaustgedenken (IHRA), die als Grundlage der Klausel verwendet wird. Tatsächlich ist diese Definition in der Wissenschaft und Politik weit verbreitet. Kritiker der Klausel würden aber lieber Antisemitismus einfach wegdefinieren.

Nun haben die Kritiker gewonnen, die Klausel wurde zunächst gekippt. In der Tat wäre die Umsetzung der Klausel schwierig gewesen, offene Fragen gab es noch viele. Aber dass sie gescheitert ist, ist ein Armutszeugnis für die deutsche Kulturszene. Spätestens nach der documenta fifteen, auf der lupenreiner Antisemitismus in Form von hakennasigen Juden und propalästinensischen Terrorclips ein Millionenpublikum fand, ist so eine Klausel bitter nötig. Seit dem 7. Oktober – den Vergewaltigungen, Tötungen, Entführungen israelischer Zivilistinnen durch die Hamas sowie dem folgenden Krieg – grassiert der Antisemitismus weltweit. Auch in Kunst und Kultur. Und besonders durch die antiisraelische Boykottbewegung BDS. Schon deshalb ist die Klausel mehr als gerechtfertigt.

Stattdessen wurde aber die Debatte bewusst verschoben, schon wieder. Es ging plötzlich um Kunstfreiheit statt Antisemitismus. Was fehlt? Ernst gemeinte Alternativvorschläge, wie Judenhass in der Branche zu bekämpfen sei. Denn es gibt kein Recht auf antisemitische Kunst, erst recht nicht mit öffentlichen Geldern gefördert. Und erst recht nicht im Land der Shoah.

Sonia Simmenauer: Nein!

Dass die Berliner Senatsverwaltung für Kultur und Zusammenhalt die Antidiskriminierungsklausel zurückgenommen hat, ist eine sehr gute Nachricht für unsere Zivilgesellschaft. Es zeigt, dass sich der Widerstand gegen autoritäre Tendenzen des Staates lohnen kann.

Die Frage, ob die IHRA-Definition als Grundlage für die Klausel geeignet sei, wurde heftig diskutiert. Tatsächlich war die Klausel selbst das Problem. Wenn die Klausel unterschrieben ist, gibt es dann keine Diskriminierung, keinen Antisemitismus mehr? Und wer kontrolliert überhaupt, ob die Klausel eingehalten wird? Müsste dann nicht auch der Prüfer geprüft werden?

Hier wäre eine Kontrollbürokratie als Schutzschild gegen Eigenverantwortung zugunsten einer fragwürdigen beruhigenden Eindeutigkeit geschaffen worden. Bekenntniszwang aber führt zur Ausgrenzung, er verhindert den Dialog, und ist ein beliebtes Instrument von Diktaturen und eine Einladung zu Denunziation. Unter Bekenntniszwang und Gesinnungsprüfung gibt es keinen produktiven Streit.

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Eine solche Klausel – und sei sie auch noch so gut gemeint – wäre in der Tat ein Schlag gegen die Demokratie und ein Einfallstor, um Kunst und Kultur als Sprachrohr der Politik zu installieren.

Allein der Wert einer künstlerischen oder kulturellen Arbeit darf der Grund für eine Kunstförderung sein. Den Rahmen dafür, was gesagt werden darf, gibt dabei das Grundgesetz vor.

Nicht die Künstler sind gefragt, sondern die Verantwortlichen in den Institutionen. Sie müssen und dürfen Risiken eingehen, damit ihre Häuser zu echten Kunsträumen werden, in denen diskutiert werden kann, gegen Ausgrenzung. Erst diese Spannung schafft einen kreativen Raum.

Von der Kulturverwaltung brauchen sie keine Vorschriften, die eine Atmosphäre des Verdachts schaffen, sondern Unterstützung: Beratung, Sensibilisierung und die Bereitschaft, Dissens und Diskussion auszuhalten.

Wir als Gesellschaft brauchen die Künste für die Freiheit, denn die Kunst ist der Ort der Fiktion. Sie kann in ihrem »Spiel« die Menschen stärken, sich miteinander auseinanderzusetzen.

Die Kultur allein kann das Problem nicht lösen, besser wäre ein Schulterschluss von Kultur, Bildung, Wissenschaft, Sport und Religion. Erfahrene Initiativen gibt es schon, es würde sich lohnen, diese stärker zu unterstützen.

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Personalaudioinformationstext:   Nicholas Potter ist ein britisch-deutscher Journalist und arbeitet bei der Amadeu Antonio Stiftung. Er ist Mitherausgeber des Sammelbands »Judenhass Underground« (Hentrich & Hentrich)

Sonia Simmenauer ist Kulturmanagerin, Publizistin und Impresaria. Sie ist Präsidentin des Bundesverbands der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft (BDKV).
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Fördergeld nur gegen Bekenntnis?

Nach heftiger Diskussion wurde in Berlin eine gerade erst eingeführte Antidiskriminierungsklausel gekippt. Dabei ging es um Antisemitismus und um den Staat Israel. Sollte es diese Klausel trotzdem geben?
15 x Ja!
31 x Nein!
insgesamt abgegebene Stimmen: 46
67%
Schlagwörter: Berlin Antisemitismus
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Sabine Spa 25.01.2024, 22:26 Uhr:
Ich bin - milde formuliert - irritiert über die Absicht, eine Antidiskriminierungsklausel zu verabschieden.
Was ein Mensch hinter seiner Stirn denkt, bleibt weiter unbekannt. Das war in der DDR so, wenn ein Bekenntnis gegenüber Partei und Staat verlangt wurde; das betrifft manche Kirchenferne, die an einem Job im kirchlichen Bereich interessiert sind und deshalb zu "Christen" werden und es betrifft aktuell die beklemmenden Bekenntnisforderungen an Leute des öffentlichen Lebens, besonders an Kulturschaffende. Manch einer von ihnen scheint demütig sein "schuldhaftes" Verhalten - z.B. eine Unterschrift unter ein "falsches" Papier - zu gestehen und Abbitte zu leisten. Ich kann das nachvollziehen, denn es geht dabei auch um Existenzen, um die Karriere, die drohende Vertragsaufhebung. Als eine vor 1989 in Leipzig Geborene, weiß ich, wovon die Rede ist. Dennoch - es ist zum Schämen und unwürdig. Ist es wirklich das, was wir in unserer - noch - Demokratie wollen?

Georg Lechner 25.01.2024, 18:47 Uhr:
Für die strafrechtliche Verfolgung strafrechtsrelevanter Formen von Antisemitismus gibt es ohnehin die entsprechenden gesetzlichen Regelungen.
Mit der Antisemitismuskeule wurde oft genug Kritik an den fragwürdigen Praktiken der israelischen Regierungen (insbesondere unter Netanyahu) niedergeknüppelt.

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