Verkehrswende
Freie Fahrt für alle
Das 9-Euro-Ticket ist ein Erfolg. Keine zwei Wochen nach dem Start zeigen erste Analysen, dass seit Anfang Juni 25 Prozent mehr Menschen den öffentlichen Nahverkehr nutzen. Das ist doch toll: Die Regierung macht Menschen, die sich kein Auto leisten können oder wollen, ein Angebot, das ganz nebenbei dazu beiträgt, im Sinne des Klimaschutzes CO2-Emissionen einzusparen, und große Teile der Bevölkerung nehmen es dankend an.
Wie viel mehr Menschen würden erst den öffentlichen Nahverkehr nutzen, wenn man dafür gar nichts mehr bezahlen müsste? Ein solches Angebot würde dann auch wirklich alle einschließen, auch Hartz-IV-Empfänger und Menschen ohne festen Wohnsitz. Die profitieren nämlich nicht vom 9-Euro-Ticket. Da das vergünstigte Ticket nur in Verbindung mit einem Ausweisdokument gilt, sind Wohnungslose oft ausgeschlossen. Und von Familien, die von Arbeitslosengeld II leben und das 9-Euro-Ticket als Schülerkarte nutzen, darf das Jobcenter die ersparte Differenz zurückfordern, anderenfalls handele es sich um eine »ungerechtfertigte Bereicherung«, so das baden-württembergische Wirtschaftsministerium.
Kostenlos für alle hieße natürlich nicht umsonst, ein komplett vom Staat getragener öffentlicher Nahverkehr hätte seinen Preis. 2018 nahmen die Verkehrsbetriebe in Deutschland 13 Milliarden Euro mit dem Verkauf von Fahrscheinen ein – und damit ist noch kein zusätzlicher Bus vom Band gelaufen und keine neue Bahnstrecke ausgebaut. Hohe Kosten, die man an anderer Stelle, etwa bei umweltschädlichen Subventionen wie dem Steuervorteil für Diesel, einsparen könnte. Das würde dem Klima helfen und diejenigen entlasten, die schon heute auf die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel angewiesen sind.