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Dieser Artikel stammt aus
Publik-Forum, Heft 17/2024
Der Inhalt:
Leben & Kultur

Pro und Contra
Ist die Säuglingstaufe sinnvoll?

Ist es richtig, kleine Kinder zu taufen, die noch nicht entscheiden können, ob sie das wollen? Ein alter Streit wird wieder aktuell. Diskutieren Sie mit und stimmen Sie ab!
vom 11.09.2024
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Ist die Taufe von Säuglingen noch zeitgemäß? (Foto: PA / DPA / arifoto UG)
Ist die Taufe von Säuglingen noch zeitgemäß? (Foto: PA / DPA / arifoto UG)

Jürgen Bärsch: Ja!

(Foto: Pressebild Christian Klenk)Zu Recht gibt es kritische Anfragen an die Praxis vieler christlicher Kirchen, bereits Säuglinge und Kleinkinder zur Taufe zuzulassen. Neben pädagogischen Gründen werden auch theologische Argumente ins Feld geführt. Vor allem die grundlegende Voraussetzung, dass ein Mensch zumindest anfanghaft zur Umkehr und zum Glauben an den dreieinen Gott gekommen sein und eine Phase der Vorbereitung durchlaufen haben muss, um getauft zu werden, scheint gegen die Säuglingstaufe zu sprechen.

Dieser Artikel stammt aus Publik-Forum 17/2024 vom 13.09.2024, Seite 8
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Dennoch müssen sich bereits seit dem dritten Jahrhundert, vermutlich aber schon früher, Gemeinden in Ost und West legitimiert gesehen haben, auch kleine Kinder zu taufen. Aus verschiedenen Gründen setzte sich seit dem fünften Jahrhundert zunehmend die Kindertaufe als Normalform der Initiation durch. Im Wesentlichen lassen sich auch heute drei Aspekte nennen, die diese Praxis begründen können:

Wie Eltern ihren Kindern auch sonst ihre eigenen Werte, Überzeugungen Einstellungen vermitteln, tun sie dies auch im Bereich des Religiösen. Wenn den Eltern der christliche Glaube persönlich wichtig ist, werden sie auch ihrem Kind diesen Glauben vermitteln und es in ihre eigene Glaubenspraxis hineinnehmen wollen. Wenn sie etwa mit ihrem Kind beten, ihm ein Kreuzzeichen auf die Stirn zeichnen, aus der Heiligen Schrift erzählen. Deshalb ist der Glaube der Eltern (und der Paten) wesentliche Voraussetzung, ihr Kind taufen zu können.

Die Taufe von Säuglingen und Kleinkindern kann besonders deutlich machen, dass Gott sein Heil ohne menschliche Vorleistung, also umsonst, gratis (von lat. gratia = Gnade) schenkt. In den Sakramenten ist es immer Gott selbst, der wirkt. So auch in der Taufe, wenn er dem Kind zusagt, es in der Kraft des Heiligen Geistes in seinem Leben zu begleiten, seine Existenz mit Jesu Tod und Auferstehung zu verbinden und es zu seinem Sohn, seiner Tochter zu machen. So wird deutlich, dass wir Gottes Zuwendung nicht verdienen oder erzwingen können. Deshalb gehört zu den Feiern der Sakramente immer das große Sakramentengebet, bei dem Gott um sein Wirken kraft des Heiligen Geistes gebeten wird.

In der religiösen und sozialen Welt zur Zeit Jesu spielten Kinder keine Rolle, man konnte sie sogar aussetzen. Deshalb ist es sehr bemerkenswert, wie Jesus mit Kindern umgeht. Er nimmt sie nicht nur auf seinen Arm und segnet sie (vgl. Markusevangelium 10,13-16), er verweist immer wieder auf sie und stellt sie als Vorbild im Glauben den Erwachsenen vor (Mk 9,36; Matthäusevangelium 18,5; Lukasevangelium 9,48). Diese besondere jesuanische Zuwendung und Wertschätzung der Kinder findet sich wieder in der Praxis, auch Säuglinge und Kleinkinder zu taufen.

Oliver Pilnei: Nein!

(Foto: Pressebild)Als Baptist plädiere ich für die sogenannte Glaubenstaufe, also für die Taufe, die den Glauben voraussetzt und auf das Bekenntnis hin erfolgt. Die Säuglingstaufe verunklart aus meiner Sicht wesentliche Aspekte.

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Erstens: In der Taufhandlung muss deutlich werden, wie Glaube und Taufe zusammenhängen. Um nicht missverstanden zu werden: Ich bin nicht der Auffassung, dass die Taufe ein reines Bekenntnis ist. Sie ist ein Sakrament, also ein Zeichen und Werkzeug der Gnade Gottes. Als Sakrament wirkt sie aber nicht durch den bloßen Vollzug, sondern zielt auf den menschlichen Glauben, der die Taufe empfängt. Die Taufe bringt den Glauben also nicht auf geheimnisvolle Weise mit, sondern ist auch Ausdruck des Glaubens und Bekenntnisses des Täuflings. In der Praxis der Säuglingstaufe kommt das nicht angemessen zur Darstellung.

Zweitens: Die Taufe sollte in den Weg zum Glauben eingebettet sein. Die frühe Kirche hat dies durch den sogenannten Katechumenat zum Ausdruck gebracht. Dieser war ein mehrjähriger Prozess, auf dem Menschen im Glauben unterwiesen, in die gottesdienstliche Feier eingeführt, mit dem christlichen Bekenntnis vertraut und in die christliche Gemeinschaft eingebettet wurden. Mit der Taufe wurde dieser Prozess der Initiation abgeschlossen. Die Praxis der Säuglingstaufe nimmt der Taufe den ihr angemessenen Ort. Die Herausforderung, dass Taufe und christliche Glaubenspraxis biografisch auseinanderfallen, stellt sich hier viel stärker.

Drittens: Die Taufe will erlebt, bewusst mitvollzogen und erinnert werden. Der Entwicklungsstand menschlichen Bewusstseins bei Säuglingen und Kleinkindern steht dem entgegen. Damit hängt auch die für das christliche Leben wichtige Praxis der Tauferinnerung in der Luft. Diese richtet sich zwar nicht auf einzelne Momente des Tauftages, aber sie vergegenwärtigt das Taufgeschehen und den Prozess, in den es eingebettet war. So lässt sie die Taufe je neu zu einer gewiss machenden Zusage werden. Was wird erinnert, wenn die Taufe nicht bewusst mitvollzogen wurde?

Viertens: Nicht zuletzt lässt sich die Praxis der Säuglingstaufe nur mit Mühe aus den Texten der Bibel ableiten.

Mein Contra zur Säuglingstaufe ist ein differenziertes: Die Praxis der Säuglingstaufe finde ich aus genannten Gründen problematisch. Wichtiger als das Ringen um die richtige Taufpraxis ist mir als Ökumeniker aber eine wechselseitige Anerkennung unseres Weges zum Christsein (Initiation). Diese ist meines Erachtens möglich.

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Personalaudioinformationstext:   Jürgen Bärsch ist katholischer Theologe und Professor für Liturgiewissenschaft in Eichstätt.

Oliver Pilnei ist baptistischer Theologe und Professor für Praktische Theologie an der Theologischen Hochschule Elstal.
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Christa Bathelt 12.09.2024, 16:36 Uhr:
Die Säuglingstaufe halte ich für richtig. Als Eltern treffen wir sämtliche Entscheidungen für den Säugling (Nahrung, Kleidung,..) Weshalb nicht auch hier. Später darf das Kind, der Jugendliche entscheiden, ob er diesen Glauben beibehalten möchte oder nicht. Ohne Glauben zu erleben und etwas darüber zu wissen, kann er sich nicht entscheiden.

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