Pro und Contra
Macht Geld den Fußball kaputt?
Manuel Gaber:
Ja, die Faszination geht verloren!
Seit Jahren beobachten wir Fans viele Entwicklungen des Profifußballs mit Sorge: Korruption und fehlende Vielfalt scheint in Verbänden und Vereinen genauso an der Tagesordnung zu sein wie kurzfristiges Denken und schlechtes Wirtschaften. Der sportliche Wettbewerb wird immer stärker von wirtschaftlichen Fragestellungen überlagert. Das Kapital von Investoren untergräbt die solide Arbeit der Vereine ohne Geldgeber. Die finanzstarken und dadurch sportlich erfolgreicheren Vereine profitieren dann auch noch überproportional von der Verteilung der Einnahmen der Ligen. Das lässt die Schere zwischen großen und kleinen Vereinen immer weiter auseinander gehen.
In der Corona-Krise haben Fans mit der von einer halben Million Menschen unterstützten Initiative Unser Fußball und detaillierten Konzeptpapieren aufgezeigt, dass es einen grundlegenden Wandel im Profifußball braucht: Wir fordern die Rückkehr zu ausgewogenen Wettbewerbsbedingungen mit einer gleichmäßigeren Verteilung der TV-Gelder und Regulierungen zum Stopp von Finanzdoping. durch Investoren. Als gesellschaftliches Vorbild muss der Profifußball endlich seiner sozialen und ökologischen Verantwortung gerecht werden. Mit eingetragenen Vereinen als Basis und demokratisch-transparenten Entscheidungsprozessen soll sich der Fußball zukunftsfähig aufstellen und die Interessen von Fans berücksichtigen.
Die Kommerzialisierung und die Entwicklungen der letzten Jahre lassen sich nicht von heute auf morgen rückgängig machen. Nach der Corona-Krise darf es aber kein Weiter-so geben. Die gesellschaftliche Bedeutung des Publikumssports Profifußball muss in den Mittelpunkt des Handelns gestellt werden, sonst verliert das Kulturgut Fußball endgültig seine Faszination und verkommt zum reinen Entertainment-Produkt.
Matthias Drobinski:
Nein, Geld ist der Stoff des Spektakels!
Wann wurde Deutschland zuletzt Fußball-Weltmeister? Wer jetzt sagt: keine Ahnung, bei Fußball bleibt die Glotze aus – die oder der ist fein raus. Wer aber am 13. Juli 2014 den deutschen Finalsieg bejubelte, voriges Jahr Bayern München in der Championsleague die Daumen drückte oder jetzt den Abstieg von Schalke 04 betrauert, steckt mitten im Dilemma.
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Die Klage der Fans, dass der Kommerz das Spiel kaputt macht, klingt so laut wie ihr Gesang im Dortmunder Signal-Iduna-Park. Aber alle, alle machen mit. Alle wollen Wunderspieler und Dream-Teams, die Spannung, Dramatik, Emotion liefern. Die Vorstellung der Fans, Teil historischer Siege oder epischer Niederlagen zu sein, funktioniert nun mal nicht ohne Fallhöhe. Dass Frischauf Wiesengrün aus der Kreisklasse absteigt, ist weder episch noch historisch.
Für all das braucht es Geld. Der Spitzenfußball ist Teil einer globalen Unterhaltungsindustrie geworden, wie die Film- und Musikbranche. Nur dass dort Glamour und Luxus unhinterfragter Teil der Selbstdarstellung sind, während die Heldenerzählung beim Fußball vom verschwitzten Kicker aus der Zeit handelt, als der Fußball noch ehrlich war. Aber wann war er das? 1953, als die Spieler verbotenes Handgeld kassierten? 1971, als bestochene Profis Spiele absichtlich verloren?
Das Geld ist der Schmierstoff im globalen Fußball, es sorgt dafür, dass der Ball rollt. Und paradoxerweise sorgen die Kritiker der Entwicklung dafür, dass es so bleibt. Sie sollten darauf drängen, dass dieses Geld wenigstens ansatzweise fair verteilt wird, der Breitensport und die Antirassismus-Initiativen in den Stadien genügend abbekommen, die Vereine Polizeieinsätze rund um die Spiele mitfinanzieren. Oder sie schalten den Fernseher aus, geben die Dauerkarte zurück – und kicken selber eine Runde.
Manuel Gaber, geboren 1993, ist Mitinitiator der Fan-Initiative Unser Fußball, die sich für einen basisnahen Fußball einsetzt. Sein Fan-Herz schlägt für den SC Freiburg. Matthias Drobinski, geboren 1964, ist Reporter bei Publik-Forum. Viele Jahre spielte er in der Münchner Hobbyliga, jetzt wechselte er ablösefrei zum Hobby-Team des SV Teutonia Köppern.
Brand Helmut - für Abo von Ehefrau Dorothea 16.05.2021, 20:10 Uhr:
Fußballspielen ist ein begeisterungsfähiges Freizeitangebot - für Jugendliche und sportliche Erwachsene, solange es nicht um die Millionen geht, die im Profi-Fußball alltäglich geworden sind. Der Kommerz - mit den Nebenwirkungen von ultrahohen Gehältern und Korruption in den Gremien. Das macht süchtig nach immer mehr Geld - und die Medien machen munter mit (Übertragungsrechte kaufen, TV-Sendungen füllend, Sponsoren finden, den "Fußballgöttern" huldigend).
Vergessen wird dabei, dass Profi-Fußball der einzige "Sport" ist, bei dem in der Regel die Polizei viel gefordert wird - von Hooligans meist außerhalb der Stadien. Das macht alles Gute kaputt.
Detlef Suermann 15.05.2021, 09:48 Uhr:
Diese Frage kann man aus meiner Sicht nicht einfach mit ja oder nein beantworten. Natürlich hat sich der Fußball in unserer Gesellschaft verändert. Zudem hat er in den letzten Jahrzehnten einen erheblichen identifikativen Anteil im gesellschaftlichen Leben entwickelt, der einen äußerst hohen Identifikationsfaktor erreicht hat. Das geht alles nicht ohne Geld, denn das wird natürlich auch dafür gebraucht, um die nötige Infrastruktur mit allem, was dazu gehört, vorzuhalten und sicher zu stellen.
Aber: Millionenbeträge für Ablösen im mehrstelligen Bereich, die eher an Menschenhandel erinnern, Versicherungssummen im Milliardenbereich, die unsolidarisch und unverantwortlich sind und Milliardäre, die sich Clubs kaufen, weil sie nicht mehr wissen, wohin mit ihrem Geld! Das ist aus meiner Sicht verbrecherisch, verwerflich und im höchsten Maße unmoralisch.
Bodenständigkeit aller Beteiligten und ein gesundes Maß an Selbstbeschränkung. Dann hätte unser Fußball eine Chance für die Zukunft!
Hanna Leinemann 14.05.2021, 08:47 Uhr:
Sicher braucht der Fußball auch Geld; aber, so wie die Organisation und der Umgang mit Geld heute aussieht, macht es den Fußball kaputt. -
Gustav Haab 13.05.2021, 15:26 Uhr:
Als ehemaliger Hobbyfussballer sehe ich mit Entsetzen und Abscheu die finanzielle Entwickling des Profifußballs! Auch hier scheint sich der Größenwahn unserer Gesellschaft wiederzuspiegeln! Es kann nur eine Wende geben, wenn sich nach Corona die Stadien aus Protest nicht wieder füllen und die Zuschauer sich weigern, die teuren Eintrittskarten zu zählen!
Stell Dir vor, es ist Fußball und keiner geht hin! Dann wäre auch den "Ultras" die Bühne genommen!