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Dieser Artikel stammt aus
Publik-Forum, Heft 1/2025
Der Inhalt:
Religion & Kirchen

Pro und Contra
Sind Teilzeitkrankschreibungen sinnvoll?

Eine Krankschreibung gilt für den ganzen Arbeitstag, doch es gibt Vorschläge, das aufzuweichen. Dann könnten erkrankte Beschäftigte einige Stunden am Tag arbeiten. Eine gute Idee? Machen Sie mit bei unserem Pro & Contra!
vom 07.01.2025
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Mit Erkältung ins Büro zu gehen, das ist spätestens seit der Pandemie verpönt. Gibt es dennoch Fälle, in denen es hilfreich sein kann, krank zu arbeiten? (Foto: istock by Getty / Space-Cat)
Mit Erkältung ins Büro zu gehen, das ist spätestens seit der Pandemie verpönt. Gibt es dennoch Fälle, in denen es hilfreich sein kann, krank zu arbeiten? (Foto: istock by Getty / Space-Cat)

Hans-Jürgen Völz: Ja!

(Foto: BVMW) Teilzeitkrankschreibungen führen zu einer Win-win-win-Situation: Sie unterstützen die Genesung Erkrankter, sichern Unternehmen dringend benötigte Fachkräfte und entlasten die Volkswirtschaft. Gelänge es, nur zehn Prozent der rund 900 000 000 Arbeitsunfähigkeitstage im Jahr von einer Vollzeit- in eine Teilzeitkrankschreibung umzuwandeln, käme dies einem Produktivitätsgewinn der deutschen Wirtschaft von jährlich fünf Milliarden Euro gleich.

Dieser Artikel stammt aus Publik-Forum 01/2025 vom 10.01.2025, Seite 8
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Die Flexibilisierung von Krankschreibungen ist ein Element, um die wirtschaftlichen Lasten der Arbeitsunfähigkeit auf Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichermaßen zu verteilen. Für das Jahr 2024 deutet alles darauf hin, dass sowohl die Anzahl der Krankschreibungen als auch der durchschnittliche Krankenstand neue Höchststände erreicht haben. Aber gerade in wirtschaftlich angespannten Zeiten benötigen Unternehmen jede Arbeitskraft. Daher sollte sich der Gesetzgeber an erfolgreichen Strategien orientieren. Die von der Chefin der »Wirtschaftsweisen« Monika Schnitzer unterstützte Teilzeitkrankschreibung zählt zweifelsfrei dazu. Sie wird in Skandinavien seit Ende der 1980er-Jahre erfolgreich praktiziert und ermöglicht Beschäftigten im Krankheitsfall eine Halbierung der Arbeitszeit.

Ein Vorteil: Teilzeitarbeit ermöglicht es, die Arbeitsbelastung schrittweise zu steigern. Zudem werden Motivation und Wohlbefinden durch den kontinuierlichen Kontakt zum Arbeitsumfeld gefördert. Oftmals wird dem vollständigen Arbeitsausfall durch den stufenweisen Wiedereinstieg sogar vorgebeugt. Nicht selten verkürzt sich so die Krankheitsdauer signifikant. Dabei bleibt die rechtliche und soziale Absicherung ohne längere Lücken in der beruflichen Laufbahn erhalten.

Nicht zu unterschätzen ist die positive Motivation im Team. Der stufenweise Wiedereinstieg Teilzeiterkrankter ist Indiz ihres Engagements. Er reduziert den Druck auf die Kollegen, Mehrarbeit leisten zu müssen, und beeinflusst Zusammengehörigkeitsgefühl und Produktivität positiv.

Auch Arbeitgeber profitieren von Teilzeitkrankschreibungen: Expertenwissen der Beschäftigten bleibt im Unternehmen. Zudem erleichtert die schrittweise Rückkehr die Planbarkeit von Vertretungen und die Aufgabenverteilung. Arbeitgebern wird genauso Flexibilität abverlangt, wenn sie individuelle Anpassungen der Arbeitszeiten und Aufgaben an den jeweiligen Gesundheitszustand vorzunehmen haben.

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Die Balance zwischen Arbeit und ausreichender Regeneration der Teilzeiterkrankten ist im Interesse von Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Jetzt ist es an der Zeit, dass der Gesetzgeber die Grundlagen für Teilzeitkrankschreibungen schafft.

Jana Wömpner: Nein!

(Foto: DGB / Fabian Schellhorn)Teilzeitkrankschreibung? So was Ähnliches gibt es schon: Es heißt Hamburger Modell und ermöglicht nach längerer Krankheit einen stufenweisen Wiedereinstieg in den Beruf – damit man nicht von »null auf hundert« startet. Das Gute daran: Ein Team aus behandelnder Ärztin, Betriebsarzt und Interessenvertretung schaut gemeinsam mit Arbeitnehmer und Vorgesetzten, was möglich ist und was am Arbeitsplatz verändert werden muss und kann. Die eigene Ärztin begleitet die Wiedereingliederung und kann eingreifen, wenn sich der Gesundheitszustand verschlechtert. Der Nachteil: Es gibt nach wie vor keinen Rechtsanspruch darauf. Arbeitgeber können die stufenweise Wiedereingliederung einfach verhindern. Hier besteht echter gesetzlicher Handlungsbedarf – damit kranke Beschäftigte wieder an ihren Arbeitsplatz zurückkehren können.

Mit der »Teilzeitkrankschreibung« hingegen soll jetzt auch noch das letzte Quäntchen Lebensenergie kranker Beschäftigter produktiv für den Arbeitgeber und nicht mehr für die Genesung nutzbar gemacht werden. Eine Frage wird von den Arbeitgebern, die allein auf Lohnkosten abstellen, allerdings nicht gestellt: Wer haftet, wenn sich die Krankheit verschlimmert oder chronifiziert? Wer trägt das Risiko, wenn die Einschätzung, wie viel man trotz Krankheit arbeiten kann, falsch ist? Die Antwort: allein die Arbeitnehmer! Da sind die Arbeitgeber schön raus und die kranken Arbeitnehmer die Gelackmeierten. Wer krank ist, soll sich erholen und nicht wie eine Zitrone ausgequetscht werden.

Die Forderung nach einer Teilzeitkrankschreibung passt gut in das Bild, das über deutsche Arbeitnehmer verbreitet wird: ein faules Volk von Blaumachern. Diese Unterstellungen sind unverschämt, respektlos und gehen an der Realität vorbei. Tatsächlich ist der Krankenstand nicht auf einem Rekordhoch, sondern genauso hoch wie vor Corona – wie die OECD belegen kann. Die steigenden Zahlen, die die Krankenkassen melden, sind durch einen rein statistischen Effekt zu erklären. Denn mit der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung geht nun jede Krankschreibung automatisch bei den Krankenkassen ein.

Worüber man eigentlich reden müsste: Gerade Langzeiterkrankungen hängen oft mit dem Arbeitsumfeld zusammen. Um mehr Personal für einen Betrieb zu gewinnen und die Gesundheit der Beschäftigten zu erhalten, ist eine menschengerechte Gestaltung der Arbeitsumgebung von essenzieller Bedeutung. Leider wird dies von den Unternehmen viel zu oft vernachlässigt. Hier muss angesetzt werden, wenn die Fehlzeiten gesenkt werden sollen.

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Personalaudioinformationstext:   Hans-Jürgen Völz ist Chefvolkswirt des Bundesverbands Mittelstand.

Jana Wömpner leitet das Referat Individualarbeitsrecht beim Deutschen Gewerkschaftsbund.
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