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Dieser Artikel stammt aus
Publik-Forum, Heft 15/2024
Der Inhalt:
Politik & Gesellschaft
Religion & Kirchen
Leben & Kultur

Pro und Contra
Soll die Brandmauer gegen die AfD weiter bestehen?

Die etablierten Parteien schließen eine Zusammenarbeit mit der Rechtsaußenpartei aus, obwohl Mehrheiten ohne sie schwieriger werden. Ist das der richtige Umgang mit ihr?
vom 06.08.2024
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Funktioniert die Ausgrenzung der AfD noch? Demonstration des Bündnisses »Wir sind die Brandmauer« vor dem Reichstag im Februar 2024 (Foto: PA/Jörg Carstensen)
Funktioniert die Ausgrenzung der AfD noch? Demonstration des Bündnisses »Wir sind die Brandmauer« vor dem Reichstag im Februar 2024 (Foto: PA/Jörg Carstensen)

Benjamin Höhne: Ja!

(Foto: Gerlind Klemens)Die AfD ist keine normale Partei. Sie steht nicht mit beiden Beinen fest auf dem Boden der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland. Rechtsaußenpolitik ist nicht nur menschenverachtend, was nach den Correctiv-Recherchen Anfang dieses Jahres zu Gegenmobilisierung geführt hat, sondern auch demokratieverachtend.

Dieser Artikel stammt aus Publik-Forum 15/2024 vom 09.08.2024, Seite 8
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Mit der Behauptung des Rechtspopulismus, der einzige wahre Vertreter des gemeinen Volkes zu sein, negiert er die politische Daseinsberechtigung der anderen Parteien. Dieses Gebaren ist antipluralistisch. Konstitutiv für unsere pluralistische Parteiendemokratie ist die Anerkennung der Vielfalt der Gesellschaft, die im Zuge von Pluralisierungsprozessen, auch durch Migration, zunimmt. Die Aufgabe der politischen Parteien ist es, in den demokratischen Verfassungsinstitutionen unterschiedliche gesellschaftliche Interessen durch Kompromisse auszugleichen. Eine Partei, die die bewährten demokratischen Regeln nicht akzeptiert, sollte somit von den anderen Parteien als Mitspielerin bei der Politikgestaltung in Parlamenten und Regierungen ausgeschlossen werden, nicht zuletzt auch, um die demokratische Ordnung selbst zu schützen.

Diese Maxime wird in der deutschen Öffentlichkeit bekanntlich unter dem Begriff der Brandmauer diskutiert. In Belgien ist die Rede vom cordon sanitaire. Diesem Sperrgürtel haben sich in unserem Nachbarland auch die Medien angeschlossen und etwa bei Live-Interviews rechten Agitationen einen Riegel vorgeschoben. Bei uns ist dagegen eine zunehmende mediale Einbeziehung der Rechtsaußenpartei zu beobachten. Manchmal mangelt es (bewusst?) an Feingefühl, nicht über ein Stöckchen zu springen, das die AfD hinhält. Auch auf der kommunalen Politikebene wackelt die Brandmauer mehr und mehr. Dabei wird mitunter argumentiert, dass es doch nur um die Kulturförderung oder den neuen Fahrradweg gehe – also ganz praktische Fragen, die mit Parteipositionen wenig zu tun haben. Dies stimmt jedoch nicht und verkennt, dass die Mitwirkung der AfD diese normalisiert, obwohl sie von mehreren Landesverfassungsschutzämtern als »gesichert rechtsextrem« eingestuft wurde.

Nun hat jeder Umgang mit einer Gefahr auch eine Kehrseite. So ist die Ausgrenzung der AfD Wasser auf deren propagandistische Mühlen. Dann ist sie es, die den »Altparteien« – wie sie ihre Konkurrenz abschätzig bezeichnet – undemokratische Maßnahmen vorwirft. Letztlich kann jedoch nur eine parlamentarische Mehrheitsfindung ohne die Rechtsaußenpartei das Ziel bleiben. Dies gilt umso mehr, weil deren Narrative, die die Demokratie unterminieren, inzwischen in der Mitte der Gesellschaft Gehör finden.

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Gabriel Kords: Nein!

(Foto: Ulrike Kielmann / Nordkurier)Mehr noch als die Europawahl haben Anfang Juni die Kommunalwahlen in vielen Bundesländern gezeigt: Die AfD hat sich in der Bundesrepublik etabliert – ob es einem nun passt oder nicht. Hat sich deshalb auch die Brandmauer etabliert? Wohl kaum. Vielmehr offenbart sich im weiter zunehmenden AfD-Erfolg bereits der gravierendste Konstruktionsfehler der Brandmauer. Denn würde sie funktionieren, müsste der Erfolg der AfD rückläufig sein. Hinzu tritt: Die Brandmauer kann überhaupt nur so lange bestehen, wie auf Seiten ihrer Befürworter eine demokratische, also auf Alternativen beruhende Mehrheitsfindung möglich ist. Je größer die AfD wird, desto schwieriger wird das. Denn von demokratischer Mehrheitsfindung kann doch schon keine Rede mehr sein, wenn sich die – nach ihrem Selbstverständnis – wahren demokratischen Parteien zu einer Art Einheitsblock gegen die AfD verbünden müssen. In vielen Kommunalvertretungen ist das nun schon Realität, im Herbst könnte es in mehreren ostdeutschen Landtagen Realität werden.

Schon allein deshalb muss die Brandmauer so schnell wie möglich fallen, zuerst auf kommunaler Ebene. Denn dort geht es ausschließlich um Sachfragen und nicht um Entscheidungen, die Auswirkungen auf den Staatsaufbau haben. Der Versuch, die AfD dabei einzubinden, bedeutet keineswegs, alles gutzuheißen, was in dieser Partei passiert. AfD-Parteigänger nehmen in Kauf, dass in ihrer Partei Personen wie Björn Höcke existieren können und dass viele ihrer führenden Vertreter einer rohen Sprache voller Herablassung und Verachtung Vorschub leisten. Das sollte einen auch zukünftig mit Unbehagen erfüllen.

Und natürlich muss man die politischen Ziele der AfD nicht gutheißen. Aber all das spielt in der Kommunalpolitik selten eine Rolle. Dort geht es darum, dass die Wähler unmittelbar mit den Folgen ihrer Wahl konfrontiert werden – im Guten wie im Schlechten. Dieser Mechanismus ist originärer Bestandteil von Demokratie. Doch er kann nicht zur Wirkung kommen, wenn AfD-Vertreter von Entscheidungsprozessen ausgeschlossen werden. Das nimmt die AfD-Vertreter aus der Haftung, mit ihren Mandaten auch etwas zu bewirken. Und es verbittert die AfD-Sympathisanten bloß noch weiter. Genau das treibt der AfD letztlich weitere Wähler in die Arme.

Käme es so, könnte die Partei eines Tages womöglich absolute Mehrheiten holen und wäre dann ihrerseits weder auf Zusammenarbeit noch auf Kompromisse angewiesen. Gut möglich, dass die AfD-Parteistrategen genau darauf spekulieren. Aber gerade deshalb ist es umso wichtiger, eine solche Situation zu verhindern, indem man die AfD in die Pflicht nimmt.

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Personalaudioinformationstext:   Benjamin Höhne ist Politikwissenschaftler und lehrt an der TU Chemnitz.

Gabriel Kords ist Chefredakteur des »Nordkurier« aus Neubrandenburg.
Die Umfrage ist vorbei: so haben unsere Leser abgestimmt!

Soll die Brandmauer gegen die AfD weiter bestehen?

Die etablierten Parteien schließen eine Zusammenarbeit mit der Rechtsaußenpartei aus, obwohl Mehrheiten ohne sie schwieriger werden. Ist das der richtige Umgang mit ihr?
21 x Ja!
25 x Nein!
insgesamt abgegebene Stimmen: 46
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Christof Ernst 13.09.2024:
Sie lassen im »Pro und Contra« Gabriel Kords zu Wort kommen. Ernsthaft? Der Mann, der Demos gegen die AfD öffentlich als »Hetze gegen rechts« bezeichnet, darf in Publik-Forum über die Brandmauer zur AfD schwadronieren? Darf vielleicht demnächst in dieser Rubrik Jürgen Elsässer über Sinn und Unsinn der Pressefreiheit seinen Rotz ablassen?

Hartmut Gliemann 13.09.2024:
Von welcher Brandmauer ist die Rede? Wenn ich mir die Aussagen von Alexander Dobrindt oder Horst Seehofer anschaue, dann ist das schon die Vorhut der AfD. Dazu die gemeinsamen Abstimmungen von CDU und AfD in Thüringen, mit denen der CDU-Chef kein Problem hat. Es ist noch nicht allzu lange her, dass sich ein FDP-Mann mit den Stimmen der AfD zum Ministerpräsidenten wählen ließ. Ich befürchte, das wird so weitergehen, bis die AfD in der Regierung sitzt – das werden dann eben Sachzwänge sein!

Peter Untermann 13.09.2024:
Die AfD darf keine Hoheit über Budgets bekommen, auch nicht auf lokaler Ebene. Auch und gerade auf lokaler Ebene kann die AfD viel kaputt machen und weiter darauf hinwirken, unsere Demokratie zu zerstören. Die potenziellen Wähler, zumindest die, die nicht fundamental rechtsextrem sind, gilt es abzuholen, indem wir sie aufklären.

Georg Weil 02.09.2024, 04:54 Uhr:
Ich bin schockiert, dass so viele Publik-Forum-Leser dafür stimmen, mit der AfD zusammenzuarbeiten und hoffe sehr, dass diese Umfrage nicht wirklich repräsentativ ist. Zumindest ist es gut, dass es eine, wenn auch kleine, Mehrheit gegen eine Zusammenarbeit mit der AfD gibt. Die Messerattacke in Solingen wurde einmal mehr, angetrieben von der AfD als Vorwand benutzt, um das Asylrecht auszuhöhlen. Dass das Schauermärchen von den AfD-"Messermännern" bei so vielen Menschen verfängt, dass sie die AfD wählen, ist beunruhigend. Die wählen eine Partei, die von ihrem Thüringer Vorsitzenden Höcke unverhohlen in die NSDAP-Nachfolge gestellt wird. Zur Erinnerung: In der Hitlerjugend trugen 14-Jährige ein Kampfmesser mit der Aufschrift "Blut und Ehre" auf der Klinge. Das sind die echten "Messer-Männer" von Höcke. Siehe Museenblog Nürnberg, wo zu den Reichsparteitagen Tausende "Messerjungs" ihrem Führer huldigten. https://museenblog-nuernberg.de/wp-content/uploads/2020/07/hj-dolch.jpg

Christel Heil 14.08.2024, 13:33 Uhr:
Nein auf keinen Fall: Die Politiker haben wirksamere Mittel, die sollten sie anwenden! Warum wird in Sachen Ahrflut immer noch keine Klarheit? Malu Dreyer als Ministerpräsidentin hat keinen Finger gerührt, sie war gerade anderweitig beschäftigt? Und sonst gab es niemanden, der verantwortlich war? Wie gut, dass es einen Landrat gibt. Kürzlich war auch zu lesen, das manche Ausschusssitzungen im Bundestag, wenn es also darum geht, dass Abgeordnete sich Infos holen sollten um fundierte Entscheidungen zu treffen, reine Show-Veranstaltungen sind: Die Sachverständigen haben sich vor der Sitzung schon mit den Abgeordneten, die die Fragen stellen, abgesprochen, so dass sie vor der Sitzung sich schon die Antworten zurecht gelegt haben. Und den Abgeordneten fallen auch keine anderen Fragen ein, als jene, die abgesprochen sind. Was für Theatervorstellungen bekommen wir denn noch vorgesetzt in diesem Saal, der sich Bundestag nennt? Und in diesem sogenannten Landtag?

Reiner Neises 12.08.2024, 06:49 Uhr:
Publik-forum.de – Soll die Brandmauer gegen die AfD weiter bestehen
Man sollte sich immer im Klaren sein, dass die, die AfD wählen, vor 90 Jahren auch Hitler und die NSDAP gewählt hätten. Und ich gehöre zu denen, die damals im KZ gelandet wären. Daher habe ich kein Verständnis für alles, was die AfD hoffähig macht. Leider sind die Rostbraunen der populistischen Ich-Partei von Sahra Wagenknecht genauso ausländerfeindlich, genauso klimafeindlich und genauso Putin-freundlich wie die AfD und damit keinen Deut besser.
Reiner Neises

Franz Foltz  11.08.2024, 13:09 Uhr:
Die Argumentation von Herrn Cords ist typisch für einen Vertreter dieser Zeitung, die in ihren Artikeln schon immer den Einfluss der AfD kleinreden. Wer dieser Partei angehört oder ihre politischen Vorstellungen als Wähler/Wählerin teilt, ist sich sehr wohl darüber im klaren, was die führenden Vertreter dieser Partei an rechtsnationalen und illiberalen Positionen vertreten. Unser Parteienspektrum bietet genügend Alternativen, um kommunalpolitische Aktivitäten jenseits dieser realitätsfernen Positionen der AfD zu entwickeln. Wie soll denn z.B. ein zukunftsfähiges energetisches Konzept innerhalb einer Gemeinde mit Vertretern entwickelt werden, die den Klimawandel leugnen und lieber heute als morgen zur Kohleverstromung oder Atomkraftwerken zurückkehren möchten? Es ist einfach naiv zu glauben, dass aus der Zusammenarbeit mit AfD Vertretern etwas Zukunftsfähiges für Kommunen, Bundesländer oder den gesamten Staat entsteht.

U.Bodenhöfer 09.08.2024, 14:04 Uhr:
Trotz Brandmauer ist der AfD Anteil größer geworden.

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