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Dieser Artikel stammt aus
Publik-Forum, Heft 12/2015
Der Inhalt:
Religion & Kirchen

Suizidbeihilfe durch Ärzte erlauben?

Der Bundestag streitet darum, ob Ärzte künftig Beihilfe zum Suizid leisten dürfen. Drei Anträge liegen vor: Einer will dies unter bestimmten Umständen erlauben. Ein anderer will Beihilfe zur Selbsttötung straffrei belassen, aber Sterbehilfevereine verbieten, ein dritter jegliche Suizidbeihilfe mit Gefängnis bestrafen. Was halten Sie für richtig? Machen Sie mit bei unserer Umfrage! Und lesen Sie hier das Pro- und Contra von Michael Frieß und Eberhard Schockenhoff
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Suizidbeihilfe durch Ärzte erlauben? Michael Frieß (links) sagt: "Ja!" Eberhard Schockenhoff (rechts) sagt: "Nein!" (Fotos: privat; pa/Deck)
Suizidbeihilfe durch Ärzte erlauben? Michael Frieß (links) sagt: "Ja!" Eberhard Schockenhoff (rechts) sagt: "Nein!" (Fotos: privat; pa/Deck)

Michael Frieß: »Ja! Theologisch steht nichts dagegen«

»Die Suizidbeihilfe ist in Deutschland bereits jetzt straffrei. Das ist – auch aus theologischer Sicht – gut so. Das Argument, dies erzeuge einen gesellschaftlichen Druck, bleibt Panikmache, die sich durch keine Erfahrungen begründen lässt: Weder die Niederlande noch Oregon noch die Schweiz wurden zu einer alten- oder krankenfeindlichen Gesellschaft, und das, obwohl in diesen Ländern der assistierte Suizid seit mehr als dreißig Jahren gesellschaftlich akzeptiert wird. In diesen Ländern wurde die palliative Versorgung sogar schneller ausgebaut als in Deutschland.

Dieser Artikel stammt aus Publik-Forum 12/2015 vom 26.06.2015, Seite 8
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Noch nie wurde menschliches Leben so geschützt und geachtet wie im Deutschland unserer Tage. Eine weitergehende gesetzliche Absicherung für ärztliche Suizidbeihilfe wird die Achtung menschlichen Lebens nicht beschneiden. Sie wird sogar das Arzt-Patienten-Verhältnis stärken, weil manche Patienten dann endlich mit ihrem Arzt ganz offen darüber sprechen dürfen, was sie wirklich bewegt.

Überzeugende theologische Gründe dagegen gibt es jedenfalls nicht. In der Bibel nehmen sich zehn Menschen selbst das Leben. Keine dieser Taten wird moralisch verworfen, die Mehrheit davon als Ausweg aus einer unerträglichen Situation geduldet. Gott hat den Menschen als sein Gegenüber geschaffen und mit Verstand, Freiheit und Verantwortung ausgestattet. Der Mensch darf (im heutigen Medizinalltag muss er sogar) Entscheidungen treffen, die die Lebenslänge sterbender Menschen betreffen.

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Die niederländischen Kirchen berichten von Christen, für die der eigene assistierte Suizid ein Ausdruck von Gottvertrauen ist: Sich selbst in den Tod zu begeben, nichts mehr selbst in der Hand zu haben ist für manche ein Ausdruck tiefen Vertrauens auf die Zusage Gottes, dass er den Menschen nach dem irdischen Leben in seiner Hand halten wird.«

Eberhard Schockenhoff: »Nein! Das wäre ein fatales Signal«

»Wird die Suizidbeihilfe als eine sozial akzeptierte Möglichkeit anerkannt, verändert sich die Entscheidungssituation für alle Beteiligten. Warum sollen sie diese legale Möglichkeit nur in Extremfällen wählen, wo sie sich doch auch im Normalfall als humane Alternative, als Abkürzung eines langen, mühsamen und kostspieligen Weges empfiehlt? Allein das Wissen um diese Möglichkeit erhöht den Druck auf Sterbende, von dieser naheliegenden Möglichkeit Gebrauch zu machen. Dieser subtile Zwang zur Rechtfertigung ihres Weiterlebens fördert nicht die Autonomie der Sterbenden; vielmehr findet unter dem Deckmantel einer von außen bedrängten suggerierten Autonomie eine Entsolidarisierung mit dem Sterbenden statt, die diesen der Möglichkeit beraubt, den Sterbeprozess in Würde zu bestehen.

Die Bereitstellung, Erleichterung und Förderung von Möglichkeiten der Suizidbeihilfe würde das fatale Signal an Schwerkranke und Sterbende aussenden, die Gesellschaft lege ihnen ein freiwilliges, lautloses Abschiednehmen aus der Mitte der Lebenden nahe, bevor sie diesen zur Last zu fallen drohen. Selbst die an einen Arztvorbehalt gebundene Legitimation der Suizidhilfe kann diesem Dilemma nicht entrinnen. Ärzte würden dann in den Augen ihrer Patienten und unter deren Angehörigen als Anlaufstellen für den Wunsch nach assistiertem Suizid und als »Experten für den freiwilligen Tod« gelten. Die Suizidhandlung selbst wie auch die ermöglichende Beihilfe zu ihr würden durch das moralische Gütesiegel der achtenswerten und gesellschaftlich geschätzten ärztlichen Tätigkeit geadelt. Dieses fatale Signal gegenüber den Sterbenden und der Gesellschaft sollte ein demokratischer Rechtsstaat, der auf die Achtung des Lebens aller seiner Bürgerinnen und Bürger gegründet ist, nicht geben.«

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Personalaudioinformationstext:   Michael Frieß, geboren 1974, ist evangelischer Pfarrer in Landsberg und Rettungsassistent. Er promovierte zur theologischen Akzeptanz von assistiertem Suizid und aktiver Sterbehilfe.
Eberhard Schockenhoff, geboren 1953, ist katholischer Theologe und Priester; er lehrt Moraltheologie an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg i. Br.
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U. Perder, Bergisch Gladbach 02.07.2015:
Bei der Auseinandersetzung mit dem Tabuthema "Sterbehilfe" geht es m.E. weniger um den Menschen selbst als vielmehr um Macht und Bevormundung durch Ideologien und Religion.
Der mündige Mensch hat ein Recht auf ein selbstbestimmtes Leben warum nicht auch auf ein selbstbestimmtes Sterben? In meinenAugen ist es Missbrauch, wenn ihm die Selbstbestim- mung verweigert wird.
Im Sinne von Patienten und Ärzten muss endlich eine klare Gesetzgebung her, die den Ärzten erlaubt, Sterbenskranken beim Suizid zu helfen, um jeglichem "Verdacht des Unerlaubten"
den Boden zu entziehen.
"Volksvertreter, die diese Chance zunichtemachen und das Straf
recht verschärfen wollen, verhöhnen jene, die zu vertreten sie
vorgeben." (T.Jens)
U. Perder, Bergisch Gladbach

M. Hartmann 02.07.2015:
Ich schließe mich der Meinung von Herrn Michael Frieß an. Meiner Meinung nach muß in einer demokratischen Gesellschaft jeder das Recht haben über sein Leben und Sterben selbst zu bestimmen. Was für den Einzelnen menschenwürdiges Leben und Sterben ist kann weder "Rom" noch "Berlin" wissen.
Deshalb wünsche ich mir eine klare Gesetzgebung für den ärztlich assistierten
Suizid von alten und schwerstkranken Menschen am Lebensende. Es geht nicht an, dass Ärzte, die den Menschen helfen wollen, kriminalisiert werden. Ebenso wenig dürfen alle Patienten mit einem Sterbewunsch am Lebensende in die Psychiatrie geschickt werden. Möge doch diese Regierung die Chance wahrnehmen, dem Arzt zu ermöglichen sich in den Dienst der Menschlichkeit zu stellen.
Margret Hartmann
Bornheim

Eduared Grabherr 30.06.2015:
Was, wenn sich die Ärzteschaft weiterhin dem assistierten Suizid verweigert?
Dann könnten das doch ev. Pastoren wie Herr Frieß und Kollegen übernehmen. Die Tätigkeit wird von den überlasteten Krankenkassen bezahlt und wir
könnten die Kirchensteuer abschaffen.
Das bedeutet dann erheblich mehr Netto vom Brutto.
Die FDP wird sich freuen.

Fritz Linck 30.06.2015:
Guten Tag,
gibt es etwas Individuelleres, nur mir allein Gehörendes als mein Leben und mein Tod? Eine solche Entscheidung betrifft einzig und allein mich selbst. Ich finde, Staat und Religionsgemeinschaften sollten sich nicht anmaßen, alles und jedes regeln zu müssen, sie können es nicht, siehe oben.

Dr. Erich Kleinganz 29.06.2015:
Was regt man sich eigentlich über einen gewissen Dr. Josef Mengele auf?
Heute würde er wieder auf der richtigen Seite stehen.
Grüße aus dem Albtraum!

Theresia Erdmann 28.06.2015:
Die Fiktion-Trailer "Aufstand der Alten 2030" wird Wirklichkeit. Was ist ein Menschenleben wert - widerlich!

http://zdf-enterprises.de/programmkatalog/international/zdfefactual/current-affairs-social-issues/2030-aufstand-der-alten
und
http://www.moviepilot.de/movies/2030-aufstand-der-alten-2

Bärbel Fischer 26.06.2015, 19:28 Uhr:
Ich stehe ganz auf der Seite von Eberhard Schockenhoff, weil das Thema zunehmend Bedeutung gewinnt. Das demografische Problem, dass ab 2030 die junge Generation die Alterslasten nicht mehr wird stemmen können, muss irgendwie gelöst werden. Daher fängt man heute schon damit an und rückt den Alterssuizid als Option in den Fokus. Die Medien tun das Ihre, die Tötung von "hoffnungslosen Greisen" als Wohltat darzustellen. Unsere Kinder aus den Jahrgängen 1955 bis 1975 sollen dereinst ab 80 "sterben wollen". Wer nicht sterben will wird als Schmarotzer betrachtet. In 10 Jahren wird die Sterbehilfe so selbstverständlich sein wie heute die Abtreibung. Wer 100 000 Kinderleichen jährlich toleriert, der hat auch keine Skrupel, Greise zu entsorgen. Ein Rechtsstaat muss die Schwächsten in der Gemeinschaft schützen. Von daher haben wir längst keinen demokratischen Rechtsstaat mehr.

Heinz Reick 26.06.2015:
Einen sehr großen Respekt habe ich vor Sterbenskranken, die bereit sind ihre Situation bis zum Ende durchzuhalten und zu bejahen. Aber diese Bejahung muss aus freiem Willen geschehen. Dieser freie Wille besteht allerdings nur, wenn es auch die Möglichkeit gibt, dieses Leben in einem assistierten Suizid zu beenden.

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