Zur Freude der Mächtigen
Hinter der Insolvenz der Frankfurter Rundschau und der Blätter, die noch folgen werden, verbirgt sich eine verhängnisvolle Entwicklung: Der kritische, unabhängige Journalismus ist bedroht. Zur Freude der Mächtigen in Politik und Wirtschaft.
Zugegeben: Die Bedingungen für einen unabhängigen Journalismus sind schwieriger geworden. Das Internet eröffnet einen Gratiszugang zu Informationen; Anzeigen wandern ins Web und in Spezialblätter ab, und viele junge Leserinnen und Leser wollen nicht für Informationen bezahlen.
Die journalistische Unabhängigkeit geht verloren
Andererseits zeigt sich in der Krise des kritischen Journalismus auch das gemeinsame Versagen von Verlagen und Medien-Nutzern. Zwar bekennen sich Verleger in Sonntagsreden gerne zum Qualitätsjournalismus. Doch schon montags wickeln sie ihn mit schnöden Sparmaßnahmen ab. Als Erstes sparen sie an personalaufwendigen Recherchen. Stattdessen investieren sie in riesige Newsrooms, in denen bis zu hundert Journalistinnen und Journalisten die Berichte für den kommenden Tag wie am Fließband zusammenschustern. Wenn die gleichen Redaktionen auch für »verschiedene« Zeitungstitel arbeiten, braucht sich niemand zu wundern, wenn den Blättern jedes individuelle Profil abgeht.
Dazu kommt, dass die meisten Redaktionen längst an Werbekunden verkauft wurden. Nicht wenige Wirtschaftsredaktionen hieven Pressemeldungen von Unternehmen direkt ins Blatt. Die Frauenzeitschrift Brigitte präsentiert»Inspirationen für zu Hause« – in Zusammenarbeit mit Ikea. Fremdwerbung und Journalismus verschmelzen, die journalistische Unabhängigkeit schmilzt mit.
Abhängigkeit vom Kommerz
Zudem finanzieren Verlage mit sinkenden Printerlösen Online-Auftritte. Bisher konnten und wollten die meisten Verlage keine Bezahlschranken für ihre Internet-Auftritte durchsetzen. Wo sich Online-Auftritte von Zeitungen doch rechnen, werden sie fast komplett durch Anzeigen finanziert – genau dies verstärkt jedoch die ohnehin schon große Abhängigkeit vom Kommerz.
Zwar gibt es auch im Internet kritische, unabhängige Informationen. Wer nachdenkseiten.de oder utopia.de aufruft, erfährt viel und viel Gehaltvolles. Allerdings stehen und fallen diese Dienste mit dem Engagement und der Finanzkraft einzelner Personen. Ziehen sich diese Personen zurück, dann sind diese Portale gefährdet.
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Im übrigen Web gibt es nur sehr spärliche Ansätze von kritischem Journalismus, weil sich Gratismedien aufwendige Recherchen und qualifizierte Mitarbeiter nicht leisten können. Stattdessen dominiert eine polemische Empörungskultur, die eher den Extremen nützt als dem kritischen Austausch von Informationen.
All das wird durch Medien-Nutzer befördert, die sich am Privatfernsehen und nicht zuletzt an der allgemein vorherrschenden Discount-Kultur orientieren: je seichter, desto leichter; je billiger desto besser.
Wer von einer Gefahr für Pressevielfalt, Pressefreiheit oder gar für die Demokratie spricht, bekommt gerne zu hören: In Deutschland sind die Bedingungen für kritischen Journalismus doch noch besser als in den USA oder anderswo. Stimmt. Unter Blinden ist der Einäugige König.
Die Demokratie ist bedroht
Auch im einäugigen »Königreich« Deutschland ist die Demokratie bedroht, wenn die kritischen, unabhängigen Medien nicht gestärkt werden. An Beispielen, wie sie gestärkt werden können, fehlt es nicht: In Österreich fördert der Staat die Medien – alle gleichermaßen und gleichberechtigt. In manchen Ländern tragen Stiftungen oder Genossenschaften Zeitungen, Zeitschriften, Online-Redaktionen oder Rundfunkanstalten – und garantieren ihre finanzielle Unabhängigkeit.
Doch diese Möglichkeiten dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass kritischer Journalismus – ob gedruckt oder digital – vor allem eines braucht: Menschen, denen kritische Informationen und die Kontrolle von Politik und Wirtschaft so viel wert sind, dass sie dafür bezahlen.
Die insolvente Frankfurter Rundschau wirbt um Unterstützer und bietet ein dreimonatiges FR-Solidaritäts-Abo an.