Lateinamerika
Ecuador vor schwerer Wahl
Ecuador bereitet sich auf Neuwahlen des Präsidenten und des Parlaments vor. Diese stehen an, weil Präsident Guillermo Lasso im Mai das Parlament aufgelöst hatte, um dadurch seine Abwahl zu vermeiden. Der Andenstaat steckt in einer veritablen Staatskrise. Ob die Wahlen am 20. August das Land dauerhaft stabilisieren werden, ist mehr als unsicher.
Denn die neugewählte Regierung wird nur bis zum nächsten routinemäßigen Wahltermin im Amt bleiben, in 18 Monaten. So schreibt es die Verfassung vor, in der international viel beachtete Elemente wie die Rechte der Natur und das indigene Konzept des »Buen Vivir«, des guten Lebens, vorkommen. Viele Ecuadorianer denken derzeit allerdings weniger an große Visionen als vielmehr ans Überleben.
Lasso, ehemals Chef einer der größten Privatbanken, hinterlässt einen Scherbenhaufen. Armut und Arbeitslosigkeit, schwindende Staatlichkeit und wachsende Macht der Drogenmafias bestimmen den Alltag. Einen Monat vor der Wahl zeigte sich eine Mehrheit der Bevölkerung in Bezug auf die Wahlen schlecht informiert und wenig motiviert. Im ersten Wahlgang gelten Luisa González und ihre Partei »Revolución Ciudadana«, der Bürgerrevolution, als Favoriten. Eine absolute Mehrheit würde allerdings überraschen, sodass die Präsidentschaft wohl erst im Oktober in einer Stichwahl entschieden wird und es im Parlament keine klaren Mehrheiten geben dürfte.
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González hat den ehemaligen Präsidenten Rafael Correa als ihren »wichtigsten Berater« bezeichnet. Ein Teil der Bevölkerung erinnert sich an die positiven Elemente seiner Regierungszeit von 2007 bis 2017 mit relevanten Sozial- und sonstigen Staatsausgaben, ermöglicht durch hohe Ölpreise. Andere denken eher an die zunehmend autokratischen Tendenzen seiner Amtsführung zurück. Der wegen Korruption verurteilte Correa lebt derzeit im belgischen Exil.
Derweil spitzt sich die Sicherheitslage in Ecuador zu. Einige Schlagzeilen aus der letzten Juliwoche: Der Bürgermeister der modernen Hafenstadt Manta wird in aller Öffentlichkeit ermordet. Eine Gefängnismeuterei hinterlässt mindestens 31 Tote. Zwei bekannte Journalisten verlassen aufgrund von Morddrohungen ihre Heimat. In einer Gallup-Umfrage wird Ecuador zum gefährlichsten Land Lateinamerikas deklariert.
Hinter all dem steht in erster Linie das Wirken diverser Drogenbanden, deren Geschäfte offenbar weit in die Wirtschaft und Politik reichen. Präsident Lasso hat hierauf keinerlei Antwort gefunden, vielleicht auch nicht finden wollen. Eine Herkulesaufgabe auch für die neue Regierung.