Filmbiografie: »Like A Complete Unknown«
Die Rückkehr des Bob-Dylan-Fiebers
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Kino. Böse Zungen behaupten ja, dass Bob Dylan gar nicht singen könne. Umso strahlender ist sein Nimbus als einflussreichster Singer-Songwriter aller Zeiten. Er ist der erste Musiker, der – 2016 – den Literaturnobelpreis verliehen bekommen hat. Schon einmal wurde ihm ein experimenteller Spielfilm gewidmet: In »I’m Not There« wurde der chamäleonhafte Künstler von sechs verschiedenen Stars verkörpert, unter ihnen Richard Gere und Cate Blanchett. Der Film »Like A Complete Unknown« dagegen ist eine mätzchenfreie Chronik seiner frühen Jahre. Sie beginnt 1961, als der 19-jährige Robert Allen Zimmerman aus Minnesota in New York ankommt. Dort besucht er sein Idol, Folksänger Woody Guthrie, im Krankenhaus. Geschildert wird Dylans Aufstieg als Folk- und Protestsänger in den Kneipen des Bohèmeviertels Greenwich Village bis hin zu seiner ersten Wandlung: 1965 vollzieht er mit dem Einstöpseln der E-Gitarre bei seinem Auftritt auf dem Newport-Festival die erste jener musikalischen Neuorientierungen, die den Musiker bis heute so rätselhaft erscheinen lassen.
In der mit atmosphärischem Lokalkolorit ausgestatteten Rückblende auf die Musikgeschichte kommen weitere große Namen wie Joan Baez, Pete Seeger und Johnny Cash ins Spiel. Spaß macht dieses Musikdrama aber vor allem wegen Timothée Chalamet, der Dylan nicht nur sehr ähnlich sieht, sondern sich dessen Manierismen und näselnde Stimme perfekt angeeignet hat. Dieses Porträt ist keine Beweihräucherung und zeigt Dylan als Egomanen, der mithilfe seiner leidgeprüften Freundin Sylvie seinen Weg machte. Wirklich Neues erfährt man nicht. Doch wenn der Hauptdarsteller klassisch gewordene Songs mit neuer Frische interpretiert und ihre Kraft zur Geltung bringt, flammt die alte Dylan-Liebe erneut auf.
? Like A Complete Unknown (USA 2024). Film
von James Mangold, 141 Min. Ab 6 J.