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Wie der freie Diskurs im Islam möglich wird

von Hildegard Becker vom 02.06.2000
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Wolf Günter Lerch
Denker des Propheten
Die Philosophie des Islam. Patmos. 184 Seiten. 34,80 DM

Mit dem Buch begibt sich der Leser auf eine Reise »durch das weite Land der Philosophie im Islam«. Die vorgestellten islamischen Denker verdienen es, mit den großen abendländischen Philosophen zusammen gewürdigt zu werden. Im Zentrum steht die Frage: Was bedeutet der wiederentdeckte Zugang zu ihnen für den Islam heute? Könnte sich der Islam aus ihrem Geist heraus erneuern? Könnte er seine fundamentalistischen Eierschalen ablegen, die er ganz offenkundig noch kräftiger hat als andere Religionen? Die Kronzeugen des Autors beweisen, dass der freie Diskurs der Vernunft im Islam möglich ist. »Eine aktualisierte Wiederaneignung des philosophischen Erbes« könnte die islamische Kultur möglicherweise »zu innovativer Kraft erwecken«. Aber der das islamische Geistesleben schwer belastende orthodoxe Islam und das geisttötende Betonkopfdenken eines unfruchtbaren Fundamentalismus verhindern es. Für einige politische Denker (al-Farabi, Ibn Khaldun) ist die Politik nicht durch göttliche Offenbarung festgelegt, sondern rationales Menschenwerk. Dieser Ansatz (Forderung nach echter Volkssouveränität) birgt bis heute Zündstoff, nicht zuletzt wegen des erheblichen Machtverlustes der islamischen Schriftgelehrten, den die Entsakralisierung der Politik zur Folge hätte. Ansätze, um »islamische Vorstellungen auf einem zeitgenössischen Niveau zu aktualisieren«, wären also sattsam vorhanden, und zwar ohne den Islam zu verwässern. Das aber ist eine Sache der Muslime. Sie kann nur gelingen, wenn kritisches Denken vom Verdacht der Ketzerei befreit wird.

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