Journalist als Wärter im Hochsicherheitsknast
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Ted Conover
Vorhof der Hölle
Undercover in Sing Sing. Rowohlt. 400 Seiten. 24,90 EUR
In keinem Industrieland der Welt werden mehr Menschen weggesperrt als in den USA. Annähernd fünf Millionen Menschen - die Mehrzahl davon junge, farbige Männer - unterstehen direkt der Aufsicht des Justizwesens. Obwohl die Zahl der Gewalttaten in den USA seit 1991 um 20 Prozent abgenommen hat, ist die Zahl der Inhaftierten um 50 Prozent gestiegen. In den letzten 25 Jahren sind im Staate New York die Häftlingszahlen um das Sechsfache gestiegen. 70 000 Menschen sitzen dort ein, 2300 davon in Sing Sing, dem bekanntesten Hochsicherheitsgefängnis, das 1926 von den Häftlingen selbst erbaut wurde. Ein Jahr verbrachte der renommierte Journalist Ted Conover »undercover« in einer »Welt aus Adrenalin und Aggression«. Er ließ sich zum Vollzugsbeamten ausbilden und kam so fast in jeden Winkel des riesigen Gefängniskomplexes. Der Autor enthüllt nichts, was man nicht schon wissen konnte, er dokumentiert den ganz normalen Wahnsinn und verdichtet ihn zu einem aufwühlenden Bericht. »Ich war zwischen zwei sich widersprechenden Impulsen gefangen: dem professionellen Desinteresse, das die Arbeit leichter macht, und der Faszination des Anthropologen und Sozialarbeiters für die Wendungen des Lebens, das jemand zum Kriminellen macht und ihn an einen Ort wie diesen bringen konnte.« Seine Beobachtung gilt auch seinen Kollegen, bei denen er ein »tiefsitzendes Gefühl der Stigmatisierung und eine schmerzende gesellschaftliche Nichtachtung«, aber auch Tendenzen von Brutalität und Machtmissbrauch feststellt. Die Gefängnisbehörde vermittelt den Wärtern, dass die Insassen wie Menschen mit einer ansteckenden Krankheit zu behandeln sind. Ein Resozialisierungsgedanke existiert nicht. Ted Conovers Report ist von Offenheit und dem Bemühen um Wahrhaftigkeit geprägt. Sein Ton ist ohne Anmaßung und Sendungsbewusstsein. Anstelle einer Botschaft lässt er einen Gefangenen sprechen: »Wir sollten aufhören, heute Haftplätze für die Kinder zu planen und statt dessen etwas gegen ihre Armut tun.«