Ein Meister aus Deutschland - aber wieso?
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Till Bastian
Das Jahrhundert des Todes
Zur Psychologie von Gewaltbereitschaft und Massenmord im
20. Jahrhundert. Vandenhoeck & Ruprecht. 258 Seiten. 48,? DM
Warum, so fragt der Friedensforscher Till Bastian, gediehen im 20. Jahrhundert die »Blumen des Bösen« in Deutschland so besonders üppig? Lässt sich eine historisch einmalige Versuchsanordnung in diesem todeswütigen Säkulum ausmachen? Um das Wirkungsgefüge darzustellen, das schließlich zu den beiden Weltkriegen und zum Judenmord führte, blickt der Autor im ersten Teil seiner Studie zurück auf die Staatenbildung im Mittelalter, auf die Entwicklungsbedingungen des deutschen Nationalbewusstseins und den daraus folgenden nationalen Wahn des Bildungsbürgertums. Die gewaltigen »Durchbrüche« der Moderne sieht er nicht in einem Mangel an Vernunft und Humanitätsstreben, sondern eher im Sinne von Freud als eine Wiederkehr des unerledigt gebliebenen »Verdrängten« in der Geschichte. Im Hauptteil seiner Studie konzentriert sich Till Bastian auf die »Scharnier-Ereignisse« (Industrialisierung, Erster Weltkrieg und Versailler Vertrag, Nationalsozialismus und Holocaust), die helfen sollen, dieses düstere Jahrhundert besser zu verstehen. Auffallend ist, dass er Verbindungslinien zwischen dem »Maschinenzeitalter« und dem »industriellen Krieg« zieht, die Krisen und sozialen Verwerfungen dieser Zeit jedoch nicht reflektiert. Im Zentrum des gestelzt wirkenden wissenschaftlichen Diskurses stehen die These des Autors vom »Nationalsozialismus als politischer Religion«, wobei er Religion definiert als »Welt- und Lebensbewältigungssysteme, die sich nicht damit begnügen, die für uns vorfindliche Welt mit Vernunftmitteln erklären zu wollen, sondern die den Menschen in Bezug setzten zu einem ?Unbedingten? und ?Unverfügbaren?, von dem aus sein Leben und Leiden 'sinnhaft? erscheint«. Es gab, so Bastian, ein Bedürfnis nach »charismatischer Führung«, nach einer »Erlösung« im Nationalsozialismus. Im Diskurs um die Bewertung der Wehrmachtssoldaten an der Ostfront versucht er die unvorstellbar brutalen Mordbrennereien als letztlich religiös motiviert zu erklären. Den Erklärungsversuchen von Christopher Browning (»ganz normale Männer«) und Daniel Goldhagen (»terminaler Antisemitismus«) wird so eine politisch eher entlastend wirkende weitere Deutung hinzugefügt.