Leserbrief
Gemeinsam glauben
Zu: »Selbstständig glauben« (13/2024, Seite 11)
Die von Herrn Fleischmann dargelegten Gründe, aus der Kirche auszutreten, sind größtenteils nachvollziehbar. Ich habe die Ambivalenzen der religiösen Sozialisation zu Genüge erlebt und reflektiert. Ich bleibe aber dennoch in der (katholischen) Kirche, weil sich in ihrer ganzen Geschichte auch eine andere Auswirkung bis heute feststellen lässt. Immer wieder hat es Menschen gegeben, die sich mit aller Kraft und aus tiefer religiöser Überzeugung für ihre Mitmenschen und für die Verwirklichung des Reiches Gottes, wie es Jesus verstanden hat, eingesetzt haben. Viele haben dafür ihr Leben eingesetzt, auch im Kampf gegen unmenschliche Strukturen, Machtmenschen und Machtmissbrauch innerhalb der Kirche. Ich muss kein Mitglied der Kirche sein, um auf Jesus zu vertrauen. Ich brauche aber als Christ die Glaubensgemeinschaft, in der die Botschaft Jesu in vielfältigen Formen lebendig gehalten und aktualisiert wird. Was der Autor scheinbar nicht im Blick hat, ist die Vermittlung der lebendigen Botschaft Jesu an die nachfolgenden Generationen. Das wird noch mal zugespitzt bei der Feststellung, dass man keine Vorstellung von Gott brauche, um ein gutes Leben zu führen. Um ein gutes Leben zu führen, brauche ich aber als Mensch von Anfang an eine Umgebung, die es mich lehrt und die es mir vorlebt. Viele Probleme in unserem heutigen Miteinander sind Folgen einer problematischen oder fehlenden Sozialisation. Ich frage Herrn Fleischmann, wie er es sich vorstellt, den christlichen Glauben mit seinen jesuanischen Implikationen an die nächste Generation weiterzuvermitteln. Bernd Schmidt, Berg
Natürlich, jeder darf glauben, was er will. Aber die evangelische oder katholische Kirche ist eine Institution. Das gilt entsprechend für eine Partei, eine Gewerkschaft oder auch für Publik-Forum. Institutionen haben nur Einfluss, weil sie von zahlenden Menschen unterstützt werden, nicht nur von Sympathisanten. Krokodilstränen braucht man den Ausgetretenen nicht hinterher zu weinen. Mitgliederpflege ist das Zauberwort. Dirk Römer, Lorsch
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Feiert Herr Fleischmann den »selbstständigen Glauben« ausgetretener Christen als Abschied vom kirchengebundenen Heilsangebot? Das klingt nach Mündigkeit im Sinne Immanuel Kants. Indessen will das Christentum Sinn und Zukunft vermitteln an Menschen, die nach Art von Camus das Gefühl haben, die ganze Lebensanstrengung sei sinnlos und bloß tödlich. Hinzu kommt: Christlicher Glaube ist Glaube einer Gemeinschaft, Glaube in und für Gemeinschaft. Erfahrungsgemäß nehmen Ausgetretene nur noch kümmerliche, oft trostlose Reste früheren Glaubens mit ins Grab. Klaus Fischer, Heidelberg