Afghanen sind nicht willkommen
»2015 darf sich nicht wiederholen« – diesen Satz haben sich unmittelbar nach dem Fall Kabuls an die Taliban führende Politiker Europas und Deutschlands, darunter Kanzlerkandidat Armin Laschet und Innenminister Horst Seehofer, zu eigen gemacht und wie ein Mantra wiederholt. Bei einem Sondertreffen der EU-Innenminister warnte man einhellig vor »unkontrollierter illegaler Migration«. Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz machte schnell klar, sein Land werde keinen einzigen afghanischen Flüchtling aufnehmen. Seehofer lehnte es ab, über konkrete Zahlen für die Aufnahme von Menschen aus Afghanistan zu sprechen. Solche Zahlen würde einen »Pull-Effekt« auslösen, »und das wollen wir nicht«.
Ziel der Europäer ist es vielmehr, Afghanistans Flüchtlinge in den dortigen Nachbarstaaten zu unterstützen, um sie möglichst dort zu halten. Doch das direkt angrenzende Pakistan will auch keine weiteren Flüchtlinge aus Afghanistan mehr aufzunehmen. Sein Land habe bereits zwischen drei und vier Millionen Afghanen aufgenommen, sagte der pakistanische Botschafter in Deutschland, Mohammad Faisal. Jetzt sollten »reichere und größere« Länder Geflüchtete von dort beherbergen. Die Lösung des neuen Flüchtlingsproblems liege bei den Staaten, die zwanzig Jahre in Afghanistan das Sagen gehabt hätten, sagte der Botschafter. Dagegen hat der Osnabrücker Friedensforscher Ulrich Schneckener die Politik in Deutschland aufgefordert, die Gesellschaft auf die Aufnahme afghanischer Flüchtlinge vorzubereiten. Dies gelte umso mehr, wenn es nach der Machtübernahme der Taliban zu lokaler Gewalteskalation oder gar zu einem Bürgerkrieg kommen würde, sagte der Professor für Internationale Beziehungen an der Universität Osnabrück. Ein solches Szenario würde die Zahl der Flüchtlinge deutlich erhöhen, sowohl im Land selbst als auch in der Gesamtregion.