Faszination und Elend magischen Glaubens

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Der Hexenglaube ist nicht Vergangenheit. In Indien, in Afrika und selbst in den USA wird noch heute gegen Hexen vorgegangen. 1996 wurden dreihundert Menschen wegen Hexerei im Norden Südafrikas hingerichtet. Erst vor etwa einem halben Jahr wurden im Senegal und in Indien wieder Hexen verfolgt. Zugleich verstärkt sich die neue Hexenbewegung vor allem in den USA und in Europa, Wicca-Kult genannt. Etwa zehn bis 15 Prozent der westlichen Bevölkerung glaubt an die Existenz von Hexerei, und 21 Prozent halten Krankheitszauber, das heißt jemandem eine Krankheit anhexen zu können, für möglich. Kompakt und gelehrt informiert Wolfgang Behringer in »Hexen« über historische und aktuelle Phänomene des Hexenwesens. Ebenso ergiebig ist Christoph Daxelmüllers »Geschichte der Magie« unter dem Titel »Aberglaube, Hexenzauber, Höllenängste«. Der »Hexenjagd«, die zwischen 1430 und 1750 ihre Höhepunkte hatte und der insgesamt maximal 60 000 Menschen bei 110 000 Hexenprozessen zum Opfer fielen, widmet Brian P. Levack seine akribische »Geschichte der Hexenverfolgen in Europa«. Während in Deutschland 70 bis 80 Prozent der hingerichteten Hexen Frauen waren, waren in Island 90 Prozent der Hingerichteten Männer, in Estland 60, in Finnland und Frankreich 50 Prozent. Hexenverfolgungen gab und gibt es auch in Ländern mit wenig christlichem Bevölkerungsanteil. Dokumente zu »Hexen und Hexenprozesse in Deutschland« hat Wolfgang Behringer herausgegeben. Maßgeblich für viele Hexenprozesse der Inquisition wurde »Der Hexenhammer« von 1487 der beiden Inquisitoren Jakob Sprenger und Heinrich Institoris, die die Hexenverfolgung kirchlichen Rechtsverfahren unterwerfen wollten, um Auswüchse einzudämmen und die Hexenverfolgung effektiver zu machen. Die heftigste Kritik kam von Friedrich von Spee mit seiner Schrift »Cautio Criminalis«, worin er rechtliche Bedenken gegen die Hexenprozesse vortrug und die damit verknüpfte Theologie geißelte. Es ist allerdings nicht so, dass die Kirche einseitig für die Hexenverfolgungen verantwortlich gemacht werden kann. Die kirchliche Autorität reagierte regional sehr unterschiedlich. So brachte die spanische Inquisition die Hexenverfolgungen zunächst unter ihre Kontrolle, um sie dann 1526 praktisch zu beenden. In Portugal und Italien gab es kein kirchliches Interesse an Hexenverbrennungen. Robin Briggs hat in seinem dickleibigen Werk »Die Hexenmacher« nachgewiesen, dass der Hexenglaube häufig eine Angelegenheit von Nachbarn, Missgünstigen und sozialen Zirkeln waren, die andere zu Außenseiter stempeln wollten. Der Hexenglaube diente als Entschuldigungsmechanismus für eigenes medizinisches, religiöses, soziales und ökonomisches Versagen. Hexen im Mittelalter waren nicht von sich aus Dissidenten, sondern sie wurden dazu gemacht. Deutlich wird das in Hartwig Webers Buch über »Hexenprozesse gegen Kinder«, die sich der Anteilnahme an Hexerei bezichtigten und andere denunzierten. Solche Vorgänge sind nur sozialpsychologisch zu verstehen. Wie vermutlich auch das moderne Hexenwesen, das sich mit Büchern wie »Das 1x1 der Hexenkunst« von Gerina Dunwich, »Die neuen Hexen« von Gisela Graichen und mit Luisa Francias »Magie als Handwerk« unter dem Titel »Drei Wünsche« profiliert. Das Internet bietet zahlreiche Adressen und Materialien zum neuen Wicca-Kult an, der sich strikt vom Satanismus abzugrenzen sucht. Kein Anlass zur Verfolgung und zur Diskriminierung. Aber zur Sorge, wenn sich Menschen im Besitz magischer Kräfte wähnen, mit denen sie Menschen und göttliche Kräfte zu beeinflussen oder in der schwarzen Magie zu schädigen glauben. Wer um diesen Glauben sein Leben herum baut, braucht psychotherapeutische Hilfe.
