Leserbrief
Billiges Bashing?
Zu: »Die Metamorphose« (19/2024, Seite 12-16)
Danke, Heribert Prantl, für Ihre deutlichen Worte, die wehtun, weil sie so wahr sind. Gleichzeitig tut es gut zu lesen, dass man nicht alleine ist, wenn man sich traut, die Waffenlieferungen an die Ukraine infrage zu stellen und für andere Wege plädiert. Sie sprechen aus, was zunehmend mehr Menschen denken, die seit Jahrzehnten bei den Grünen waren oder sie zumindest gewählt haben und jetzt ihre politische Heimat verloren haben.
Regula Fey-Fischli, Herrsching
In meinen Augen verhöhnt Heribert Prantl nicht nur Robert Habeck mit diesem Text, sondern alle Vertreter eines konsequenten Pazifismus, die wie Habeck seit 2022 angesichts des russischen Angriffskriegs schweren Herzens eine »Metamorphose« erlebt haben. Prantl scheint nicht willens zu sein, Habecks Dilemma in einer rot-gelb-grünen Regierung fair zu analysieren. Stattdessen verunglimpft er ihn als machtbesessenen und heimlich neoliberalen Möchtegern-Kanzler. Wie soll Robert Habeck die hehren Grundsätze der grünen Gründerinnen und Gründer – sowohl in Sachen Umweltschutz als auch in der Friedenspolitik – in dieser Ampelkoalition durchsetzen? Statt Fairness oder gar Empathie beherrscht den Autor offenbar die Lust an der Denunziation. Traurig. Christiane Fladt, Leutkirch im Allgäu
Die Grundwerte von Bündnis 90/Die Grünen entwickelten sich vor 45 Jahren aus der Umwelt- und Anti-Atomkraft-Bewegung, aus einer im Christentum angelegten Vision für die Zukunft sowie der damaligen Friedensbewegung. Laut Heribert Prantl wechseln sich in der Geschichte einer Gesellschaft verschiedene Gezeiten der Gewalt ab, wie er genauer in seinem Buch »Den Frieden gewinnen – Gewalt verlernen« ausführt. Nach den Vorstellungen unseres Vereins, gewaltfrei grün e. V., ist mit dem diesjährigen Bundesparteitag in Wiesbaden nun die Zeit gekommen, mit einer Politik zu beginnen, die Deutschland mit seinen Partnern wieder zu einer Ebbezeit der Gewalt führen wird. Dazu bedarf es unter anderem einer Rückkehr zu einer humaneren Migrationspolitik und einer Sicherheits- und Friedenspolitik, die auf Grundlage des Völkerrechts noch stärker Verhandlungen und den christlichen Ansatz der Feindesliebe in den Mittelpunkt rückt. Wir Grünen sollten uns auf unsere Wurzeln berufen und dem Titel des gerade in den Kinos laufenden Filmes folgen: Act Now!
Nicole Lauterwald, Vorsitzende von gewaltfrei grün e. V., Frankfurt am Main
Seit 1985 bin ich für die Grünen kommunalpolitisch aktiv. In dieser Zeit musste ich leider feststellen, dass predigen alleine nicht hilft. Jedes Mal, wenn die Grünen eine Forderung aufstellten, die eine Verhaltensänderung beim Bürger erfordert hätte, zum Beispiel fünf Deutsche Mark für Benzin oder höhere Steuern für Besserverdienende, halbierte sich die Wählergunst bei der folgenden Bundestagswahl. Außerdem mussten wir feststellen, dass die Journalisten ihre hohen Erwartungen bei uns abluden statt bei sich selbst. In einer Demokratie kommen wir erst weiter, wenn der Bürger kapiert, dass er etwas ändern muss. Angela Holstiege, Bünde
Publik-Forum EDITION
»Das Ende des billigen Wohlstands«
Wege zu einer Wirtschaft, die nicht zerstört.»Hinter diesem Buch steckt mein Traum von einer Wirtschaft, die ohne Zerstörung auskommt. / mehr
Seinerzeit verglich Franz Josef Strauß die Grünen mit Tomaten. Erst reif geworden, würden sie ihre rote Farbe zeigen. Er hat sich getäuscht: Sie sind olivgrün geworden mit braunen Rostflecken. So passen sie besser in den Parteiengarten. Dietmar Schmeiser, Neustadt-Hambach
Die Kritik von Heribert Prantl an Robert Habeck und den Grünen ist maßlos und ungerecht. Ich war Mitglied der Friedensbewegung und bin den Grünen direkt nach der verlorenen Wiedervereinigungswahl beigetreten. Damals war die Sowjetunion eine mehr oder weniger in Agonie erstarrte Defensivmacht. Die Friedensbewegung hat in dieser Situation dazu beigetragen, in der Sowjetunion Demokratisierungsprozesse auszulösen. Heute greift Putin imperialistisch aus, will nicht nur die demokratische Ukraine zerstören, sondern zielt auf das ganze ehemalige Sowjetimperium. Sich Putin durch Niederstreckung der Waffen zu unterwerfen wäre Petra Kelly nie in den Sinn gekommen. Sie wäre für eine Politik à la Chamberlain mit dem Appeasement gegenüber Hitler nicht zu haben gewesen. Dafür war ihr Gerechtigkeitssinn viel zu ausgeprägt. Man kann über die aktuelle Flüchtlingspolitik geteilter Meinung sein. Fakt ist, dass Deutschland so viele Flüchtlinge aufnimmt wie kein anderes Land in Westeuropa. Diese werden hier rechtsstaatlich behandelt, untergebracht und verpflegt. Auch dank der Grünen können sie sich jetzt viel schneller in den Arbeitsmarkt integrieren als noch vor wenigen Jahren. Diese Fakten sollte auch ein Großkritiker wie Prantl honorieren. Zudem hat keine Bundesregierung umweltpolitisch so viel auf den Weg gebracht wie die Ampel unter maßgeblich grüner Beteiligung. Ich wünsche Heribert Prantl viel Spaß mit den politischen Alternativen CDU und BSW. Roger Peltzer, Kerpen
Prantls Retrobeitrag zur Krise der Grünen zeigt das ganze Elend dieses Kulturarbeiterinnen- und Kulturarbeiter-Milieus. Symbolisch-moralisches Signalling statt Einsicht in die Begrenztheit von Politik. Petra Kelly kann nur liken, wer keine Verantwortung für die Res publica trägt. Umgekehrt wird ein Schuh draus: Mehr Fischer und Kretschmann, weniger Grüne Jugend und menschenfeindliche Cancel Culture. Es ist schade, dass Habeck den Weg in die bürgerliche Mitte durch sein dummes Heizungsgesetz verbockt hat. Nun ist das Vertrauen verspielt und der Verdacht wieder da: Die Grünen – moderne Verfechterinnen des autoritär-antidemokratischen Philosophenstaates. Günter Nagel, Hildesheim
Traurig, dass ihr ausgerechnet Heribert Prantl zu den Grünen kommentieren lasst. Seit er weder Corona in seiner Tragweite begriffen hat noch die fundamentale Bedrohung durch Putins Tyrannei, wirkt der einst so hochgeschätzte Journalist aus der Zeit gefallen und nicht nur den Grünen, sondern viel mehr sich selbst entfremdet. Die These der Grünen Partei, die sich von ihren Werten entfernt hätte, ist so alt wie falsch. Diese Klage höre ich seit über 30 Jahren. Wahr ist, dass die Grüne Partei nicht nur die einzige größere Partei ist, die weiterhin Mitglieder gewinnt, davon sehr viele junge. Wahr ist, dass die Grünen trotz sehr viel Gegenwind, schwierigen Zeiten und einer komplizierten Koalitionskonstellation insbesondere für Klimaschutz, Klimaanpassung und Artenvielfalt enorme (kaum berichtete) Erfolge erzielt haben in den letzten Jahren. Wer nicht versteht, dass es zum Wesenskern einer Demokratie gehört, in einer Regierung (zumal in einer mit schwierigen Partnern) Kompromisse zu machen, versteht diese Staatsform nicht. Martin Heilig, Würzburg