Oper
Kolonialismus auf der Opernbühne
Oper. Diese »Aida« spielt im heutigen Berlin: Statt Nilufer und Pyramiden sind das Humboldt-Forum und die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche Orte der Handlung. Andrea Moses, die Regisseurin und neue Operndirektorin am Deutschen Nationaltheater Weimar, macht in ihrer Inszenierung Guiseppe Verdis Oper zu einem Stück über Kolonialismus. Aida, Tochter des äthiopischen Königs und Sklavin am ägyptischen Hof, ist in dieser Inszenierung Putzkraft im Völkerkundemuseum. Sie ist verliebt in Radames, den Sohn des Pharao – in Weimar ist er Security-Mann statt Feldherr.
»Alle Diskurse, die unsere Gesellschaft derzeit beschäftigen und schütteln, lassen sich mit der Oper Aida unglaublich gut verbinden«, sagt Moses und meint damit zum Beispiel den Umgang mit Raubkunst in deutschen Museen. Moses zieht in ihrer Inszenierung eine Verbindung zum Humboldt-Forum, zum Abriss des Palastes der Republik und zum Bau des Berliner Schlosses. Sie kritisiert, dass durch Abriss und Wiederaufbau »sehr viel Geschichte vergessen, überschrieben und übertüncht« werde. Mit ihrer Inszenierung will sie diese Schichten freilegen, will, dass gezweifelt und diskutiert wird. Auf der Bühne ist die ägyptische Elite zu sehen, die im Museum eine Ausstellung mit dem Titel »Zweifel« eröffnet. Die Ausstellungsobjekte stammen offenbar aus dem von Ägypten unterworfenen Äthiopien, das nun aber zum Gegenangriff ansetzt. Zweifel will auch Andrea Moses säen, etwa an der Herkunftsgeschichte von Ausstellungsstücken wie dem Luf-Boot im Humboldt-Forum, die in Zusammenhang mit Verbrechen des Deutschen Kaiserreichs in der Südsee steht.
Die an Heiligabend des Jahres 1871 in Kairo uraufgeführte Oper Aida ist laut dem palästinensischen Literaturtheoretiker Edward Said weniger ein Stück über den Kolonialismus als vielmehr ein Zeugnis desselben. Die politisch denkende Regisseurin Moses bringt das auf die Bühne.
sechs weitere Aufführungen von
Verdis »Aida« bis März 2022 auf dem Spielplan: www.nationaltheater-?weimar.de