Interview mit Tomáš Halík
»Das Spannendste liegt noch vor uns«
von
Michael Schrom
vom 26.05.2022
Scharfer Analytiker: Der Prager Religionsphilosoph Tomas Halik (Foto: flickr/cc by-sa 2.0)
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Publik-Forum: Herr Halík, viele Christen sagen: Für meinen Glauben brauche ich keine Kirche mehr. Ist das der Beginn eines religionslosen Christentums? Oder ein Anzeichen dafür, dass das Christentum von der Bildfläche verschwindet?
Tomáš Halík: Als die offizielle Kirche in der Moderne nicht mehr in der Lage war, kreativ auf die »Zeichen der Zeit« zu reagieren, entstanden zwei Strömungen: die Individualisierung und die Personalisierung des Glaubens. Die Individualisierung verliert den Kontakt zur Tradition und zur Gemeinschaft der Gläubigen und damit allmählich auch ihre christliche Identität. Die Personalisierung – darunter verstehe ich einen persönlich verinnerlichten, durchdachten, durchfühlt
Hans Flory 24.06.2022:
Ich würde die Phasen des Christentums nicht in Tageszeiten aufteilen wie Tomáš HalÍk, sondern eher in Lebensphasen. Die Zeit bis zum 13. Jahrhundert würde ich als Kindheit betrachten. Mit Thomas von Aquin beginnt die kirchliche Pubertät des Aristotelismus. Sie richtet sich gegen Platon und Bonaventura, statt mit ihnen zusammenzugehen. Ab der Aufklärung beginnt die Pubertät der Gesellschaft. Mit der Postmoderne beginnt der Einstieg ins Erwachsenenleben. In dieser Phase leben wir jetzt. Wir entdecken gerade die Widersprüche sowohl in den Kirchen, vor allem auf dem sexuellen Gebiet, als auch in den Gemeinschaften auf dem Gebiet der Gerechtigkeit und Freiheit. Ideale und Utopien sind gescheitert auf dem Weg der Realisierung, weil sie besetzt waren durch eitlen Egoismus. Was jetzt die Aufgabe wäre für die Kirche und die Gesellschaft, beschreibt HalÍk mit dem Begriff der »Weggemeinschaft«. Als Fragende und Suchende müssen wir uns alle auf den Weg machen. Die Kirchen und Gemeinschaften haben als Eltern ausgedient. Sie müssen lernen, selbst mit allen zu suchen und zu fragen.
Elmar Reinhold 24.06.2022:
Mit großem Interesse habe ich den Artikel von Christoph Fleischmann über die selbstständige katholische Gemeinde »Boskapel« in Nijmegen gelesen, da ich seit über 25 Jahren in den Niederlanden lebe und sich in unserem heutigen Pfarrverbund vor einigen Jahren ebenfalls ein Teil einer Gemeinde in ähnlicher Weise vom Bistum unabhängig gemacht hat. Allerdings erlebe ich dies nicht als typisch für die heutige Situation an der katholischen Basis, sondern eher als Nachhutgefecht aus dem vorigen Jahrhundert um die (reale oder vermeintliche) Machtposition der Priester und Bischöfe. In unserem Pfarrverbund existieren konservativere und progressivere Gemeinden im Wesentlichen friedlich nebeneinander: Während der Messfeier in den »eucharistischen Zentren« finden anderswo gleichzeitig Wort- und Kommunionfeiern unter der Leitung eines Gemeindereferenten statt; alles unter der »Obhut« eines erzkonservativen jungen Pfarrers. Vielleicht ist auch in dieser Hinsicht »die Entwicklung in den Niederlanden der in Deutschland um 15 bis 20 Jahre voraus« (Herman Häring). Entgegen seiner Analyse erlebe ich, dass man sehr wohl regelmäßig »etwas Verbotenes heimlich tut in der Hoffnung, dass es die Oberen nicht sehen« – weil man einfach vermeiden will, dass der Pfarrer, der genau weiß, was Sache ist, im Auftrag des Bischofs durchgreifen muss. Es würde mich nicht einmal wundern, wenn der Bischof tatsächlich auf dem Laufenden ist und einfach vermeiden will, unnötig Staub aufzuwirbeln, solange alle mit ihrer eigenen Situation zufrieden sind.