Die perfekte Corona-Kirche?
»Ich brauche keinen Kirchenraum«, meinte vor einer Weile ein Mann zu mir, »wenn ich beten will, dann gehe ich in den Wald.«
Verstehen kann ich das schon. Knorrige Bäume, junge Setzlinge und die Weite des Himmels über mir, da spüre ich auch Ehrfurcht und Staunen.
Vor kurzem hat mir eine Freundin ein im Netz vielfach geteiltes Bild geschickt, ein Mann umarmt einen uralten Baum. Als Vorschlag, da ich ja wegen der Hygieneregeln keinen Menschen umarmen darf.
Fertig ist die perfekte Corona-Kirche: Der Wald als luftiger Kirchenraum und als Friedensgruß Bäume umarmen. Garantiert infektionsfrei.
Meine Kirche ist das aber einfach nicht.
Mag sein, dass jahrhundertealte Bäume viel erzählen könnten. Nur, sie tun es ja nicht. Sie erzählen mir keine fremden Geschichten, sie widersprechen mir nicht und sie lächeln mich nicht freundlich an. Und wenn ich krank bin, kommen Bäume mich auch nicht besuchen.
Meine Kirche ist eine andere: Ein wenig schräg zur Welt, absolut offen und beweglich und gleichzeitig stur auf Gerechtigkeit pochend und ansonsten ganz viel Gemeinschaft, Nähe, Vertrauen und gegenseitige Ermutigung.
Von dieser Kirche träume ich, wenn ich gerade coronamäßig allein im Wald spazieren gehe.
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Dies ist ein Beitrag im Rahmen des Erzählprojektes von Publik-Forum »Die Liebe in Zeiten von Corona«. Wir laden unsere Leserinnen und Leser ein zu unserem Erzählprojekt: Bitte schreiben Sie uns Ihre Erfahrungen, Nöte, Ängste und Ihre Zuversicht in Zeiten von Corona.