Ein Dorf übt Nähe
Ich wohne in einem kleinen Dorf, das in normalen Zeiten schwer Zugang und Vertrauen zueinander findet. Es gibt viel Angst um Macht, Prestige, guten Ruf, zugelaufene Fremde usw.
Ich habe in diesen Coronatagen im Newsletter des Dorfes ein Hilfegesuch gewagt. Ich nähe Mundschutzmasken und verschenke sie. Beim 51. Exemplar ging meine Nähmaschine kaputt. Ich konnte den Fehler nicht ausmachen und mir selbst nicht helfen. Also schrieb ich mein Problem in das dörfliche Nachrichtenblatt und bat um einen Tipp oder handgreifliche Hilfe. In ganz kurzer Zeit bekam ich Antwortmails: Eine Nachbarin stellte mir ihre Maschine vors Tor, mit der ich jetzt weiternähe; ein Ehepaar bat darum, die kaputte Maschine und Werkzeug in den Innenhof zu stellen, man klingelte und untersuchte das Objekt. Man fand den Fehler: irreparabel. Ein anderes Angebot: Stoff für die Maskenproduktion oder die Adresse von einem Nähmaschinendoktor, der auch in Coronazeiten praktiziert. Und schließlich kam einfach ein Dankeschön im Namen der Gemeinschaft an für meine Fabrikation. Wenn Corona so viele Mauern einzureißen vermag und Gräben überspringen lässt, dann hat es auch etwas Gutes, trotz allem.
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Dies ist ein Beitrag im Rahmen des Erzählprojektes von Publik-Forum »Die Liebe in Zeiten von Corona«. Wir laden unsere Leserinnen und Leser ein zu unserem Erzählprojekt: Bitte schreiben Sie uns Ihre Erfahrungen, Nöte, Ängste und Ihre Zuversicht in Zeiten von Corona.