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Endlich wieder unter Leuten

von Klaus Beurle, Würzburg
vom 21.06.2020
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Nach gut zwei Monaten Kontaktabstinenz darf ich wieder in meinem Lieblings-Café am Marktplatz mit Blick auf die Marienkapelle Platz nehmen – noch mit Maske beim Café-Zutritt und mit obligatorischer Listeneintragung am Tisch. Endlich wieder unter Menschen, unter Leuten von nebenan und von draußen auf der Straße! Ich sitze da und sehe zunächst den Tauben zu, die wie zuvor friedlich vor den spätgotischen Fenstern der Kapelle hin- und herfliegen.

Ich genieße es, neben meinem Cappuccino einigen Menschen zuzusehen und Eindrücke auf mich wirken zu lassen. Rechts von mir eine ältere Dame, die sich ihr Mittagsmenü schmecken lässt und bei jedem Bissen nach rechts, nach links ihren Kopf erhebt, als warte sie auf einen Zuspruch … Links von mir ein philippinisch-deutsches Paar: der stämmige Deutsche kommentiert gelassen die offensichtlich nervigen Probleme der zarten Philipina.

Ich kann durch das offene Fenster auf die Straße hindurchsehen und mich an der Buntheit des Lebens erfreuen. Die Passanten merken wohl nicht, dass ich einige von ihnen aufmerksam wahrnehme. Da sind es zwei junge Muslima, die, tiefschwarz gekleidet und fast ganz verhüllt, am Café vorüberziehen; nur in kleinen Ausschnitten sehe ich ihr Gesicht. Wenn sie auch noch Gesichtsmasken tragen? Nicht viel wird sich für sie durch die Maskenfreiheit ändern … Eine kräftige junge Frau, eine Deutsche, schiebt etwas mühsam ihr Kleinkind im Wagen vor sich her. Es sieht jeder, dass sie hochschwanger ist. Was mag in ihr vor sich gehen? Dann nähert sich ein iranischer Flüchtling, den ich vor Jahren, zusammen mit drei anderen Iranern, getauft habe. Er will mir immer etwas erzählen, wenn er mich trifft – doch er erkennt mich in meiner Ecke nicht. Kurz darauf zischen vier Jugendliche auf ihren Fahrrädern über den Marktplatz. Sie schlängeln sich mit Hochgeschwindigkeit durch die Passanten hindurch. Nichts passiert … Mitleid bekomme ich, wenn ich sehe, wie eine Frau sich eines stark behinderten Mannes, dessen Gesicht schrecklich entstellt ist und der vor sich hinstöhnt, rührend annimmt. Es ist schon der dritte Schwerbehinderte, den ich heute sehe. Behinderte Frauen und Männer gehören zu unserem Stadtbild...

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Hinter mir im Café haben sich drei Geschäftsleute getroffen, die sich lebhaft in breitem Fränkisch über Geschäftsdinge unterhalten. Ich lausche, ohne etwas zu verstehen. Auf der Straße sehe ich junge Liebespaare vorbeiziehen. Sie lachen, oft händchenhaltend schlendern sie dahin und zeigen, dass sie glücklich sind ... Keineswegs händchenhaltend, dafür aber heftig gestikulierend zieht eine lautstark diskutierende Gruppe Jugendlicher, vermutlich afrikanischer Herkunft, an mir vorbei. Sie tragen zerschlissene Jeans und strotzen vor Lebenskraft. Ich bin mir sicher, sie sehnen sich nach einer gesicherten Zukunft. Was wäre unsere Stadt ohne die vielen Ausländer? Wirklich bunt und dynamisch ist das Leben, wo es sich frei entfalten kann.

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Alle Beiträge des Erzählprojektes »Die Liebe in Zeiten von Corona«

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Schlagwörter: Gesellschaft Vielfalt
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