Kein richtiges Miterleben
Zu Beginn der Corona-Einschränkungen dachte ich, ich käme mit dem Wegfall der sonntäglichen Gottesdienste gut zurecht, und das war anfangs auch kein Problem gewesen, statt in der Kirchenbank nun im bequemen Sessel vor dem Fernseher den Gottesdienst miterleben zu können.
Aber ein richtiges Miterleben war es in Wirklichkeit doch nicht gewesen: Es war eher eine Erinnerung an frühere Zeiten, nun nicht selbst im Fernsehbild dabei sein zu können. Es war auch ein Weniger an Empfindungen gewesen als das Miterleben eines Gottesdienstes an einem Urlaubsort in »fremder« Kirchengemeinde. Daheim am Fernseher, da fehlte etwa Unausgesprochenes: der Blick zum Nachbarn, die Resonanz des Kirchenschiffs mit dem echten Klang der Orgel, die Stimme des Chors, der Duft der Gegenwart … und überhaupt, die Atmosphäre empfand ich so steril wie Dosenmilch.
Ich griff zur Abhilfe: Ich nahm ein kleines Radio mit Kopfhöreranschluss und setzte mich zur Zeit einer Gottesdienstübertragung ins leere Kirchenschiff, hörte. Dort verfolgte ich den übertragenen Gottesdienst wesentlich konzentrierter mit den Ohren, statt mit den ablenkbar verführbaren Augen.
Jetzt soll es ja demnächst wieder (echte) Gottesdienste geben … wenn auch mit Abstand zum Nachbarn.
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