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»Mama, kannst du mir bitte den Opa anmachen?«

von Georg Möller
vom 04.06.2020
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Geschichten lesen

Es war Anfang April. Der Lockdown hatte alle Bereiche des Lebens erfasst.

Als Rentnerehepaar ging es uns relativ gut. Wir hatten keine unmittelbaren Verpflichtungen. Aber dann kam die Frage auf: »Wie geht es unseren fünf Enkelkindern (im Alter von vier bis zehn Jahren)?« Die beiden Großen (Anna und Michal) in der Nähe von Tübingen konnten nicht mehr in die Schule gehen und ihr Bruder Mats nicht mehr in den Kindergarten. Zu Simon hier bei uns in Franken hatten wir auch nur noch telefonischen Kontakt, und Eva, das jüngste Enkelkind in Norwegen, war ohnehin weit weg.

Da hatte meine Frau eine Idee, der ich erst skeptisch gegenüberstand: »Lese doch eine Geschichte vor und schicke sie per WhatsApp an die Kinder.« Nach etwas Zögern startete ich den ersten Versuch. Wir hatten noch ein altes Buch aus der Zeit, als unsere Kinder in diesem Alter waren: »Sandmännchen erzählt« mit kurzen Geschichten von Gina Ruck-Pauquèt. Die Hauptpersonen sind der kleine Zoowärter, der kleine Briefträger und der kleine Schornsteinfeger.

Ich war erstaunt, dass schon am nächsten Tag die Rückmeldung kam, dass ich damit weitermachen solle. Und so habe ich seitdem jeden Tag eine Geschichte gelesen und – soweit vorhanden – ein Bild mitgeschickt.

Nach einer Woche kam eine besonders nette Rückmeldung, über die ich mich sehr gefreut habe:

Die Mutter von Simon schreibt: Beim Mittagessen sagt Simon plötzlich: »Mama, kannst du mir bitte den Opa anmachen, da kann ich mich so schön entspannen.«

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Einige Tage später hatte ich Kontakt zu einem Flüchtling aus Äthiopien, der inzwischen mit seiner deutschen Lebenspartnerin und ihren beiden Kindern im Alter unserer Enkelkinder zusammenlebt. Ich erzählte von meinem Vorleseprojekt und fragte, ob ich einmal eine Geschichte an sie schicken darf. Sie waren einverstanden, und noch am Abend hat Azanja mir eine Nachricht gesprochen: »Hallo lieber Georg, uns hat die Geschichte sehr gefallen, und wir möchten, dass du uns noch viel mehr Geschichten vorliest.« Ja, und seitdem schicke ich die jeweilige Geschichte auch an Azanja und ihren Bruder Khanya.

Inzwischen ist das erste Geschichtenbuch ausgelesen, und jetzt sind der kleine Nachtwächter, der kleine Zauberer und der kleine Stationsvorsteher dran.

Auf diese Weise können wir auch in Corana-Zeiten Kontakt miteinander halten und so ein kleines bisschen Struktur in den Tageslauf bringen.

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Alle Beiträge des Erzählprojektes »Die Liebe in Zeiten von Corona«

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