Pro und Contra
Soll Karfreitag ein stiller Feiertag bleiben?

Petra Bahr: Ja!

(Foto: Deutscher Ethikrat /Christian Thiel)
Doch wenn es um den »stillen Feiertag« Karfreitag geht, einen der zentralen Symboltage des Christentums, werden viele dieser Apologetinnen und Freunde der Stille plötzlich zu begeisterten Partygängern. Eben noch die Polizei gerufen, weil die jungen Leute gegenüber noch um zwei Uhr nachts Musik gehört haben, jetzt überzeugte Tanzfanatiker, die das Recht einklagen, so laut wie möglich zu sein, und das am liebsten öffentlich. Dabei müsste man so einen stillen Feiertag erfinden, gäbe es ihn nicht längst. Stille kann man nur in Grenzen individuell erleben. Es braucht die Stille der anderen, eine Art Gesellschaftsabkommen. Das provoziert.
Man mag sich über die teils aggressive kirchenfeindliche Forderung der Abschaffung allerdings nur dann wundern, wenn man verdrängt, dass dieser Tag nicht die Stille als solche feiert, sondern die Todesstunde Jesu, dieses von den Römern exekutierten Juden, der mit seiner Botschaft für so viel Beunruhigung sorgte, dass sich ein Imperium bedroht sah. Ein Tag, der einem Sterbenden, Leidenden, Gefolterten gewidmet ist, passt nicht ins Selbstsorgeprogramm und schon gar nicht ins Konzept einer hoch fragmentierten Gesellschaft, in der alle ihre religiösen Bedürfnisse möglichst so ausleben sollen, dass andere davon unbehelligt bleiben.
Die, die gegen diesen Tag mit Krach angehen, ahnen vielleicht mehr als die, die ihn ignorieren, welche Zumutung mit dem Karfreitag verbunden ist. Der schmutzige Tod Jesu, der auch das Zeichen von Gottes Passion für die Leidenden, Gefolterten, seelisch und körperlich grausam Behandelten ist, lenkt den Blick hin zu den Kindern unter den zerbombten Häusern, den Geiseln in den Tunneln, den Teenager-Soldaten in den Gräben, hin zu allen Gebrochenen, Zerschundenen. Der Karfreitag ist still, aber nicht ruhig, nicht friedlich. Er verstört. Er fordert heraus, dort hinzusehen, wo es wehtut, auch in die eigene angstvolle Seele. Vielleicht ist der Karfreitag als Zeitenwende des Christentums auch der richtige Tag für die vielen Zeitenwenden, die gerade ausgerufen werden.
Assunta Tammelleo: Nein!

(Foto: Screenshot/via OLATV.de)
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Die »Stillen Tage« sind ja nicht von Natur aus still, sondern von der Staatsregierung dazu erklärt worden. Aufgrund ausschließlich der eigenen christlichen Weltanschauung, die auch im Freistaat viele Menschen nicht teilen und auch nicht teilen müssen. Auf die Klage des Bundes für Geistesfreiheit München hin hat das Bundesverfassungsgericht 2007 festgestellt, dass »Bevölkerungsteilen anderer kultureller und weltanschaulich-religiöser Prägung durch die Auswahl des Feiertages und seinen Schutz insofern keine unzumutbaren Belastungen auferlegt werden (dürfen), als niemand gezwungen werden darf, diesen Tag entsprechend einer bestimmten religiösen Überlieferung oder auch nur im Sinne innerer Einkehr zu begehen.«
Das Tanzverbot im Freistaat ist nicht-christlichen Menschen unzumutbar; es ist Ausdruck eines undemokratischen Staatsverständnisses. Dort, wo religiös begründete Moralvorstellungen in staatliche Gesetze für alle gegossen werden, ist nichts Gutes zu erwarten. Vom religiös begründeten Tanzverbot an ausgewählten Tagen bis hin zu religiös begründeten Kleidungsvorschriften an allen Tagen ist es kein weiter Weg.
Im demokratischen Rechtsstaat mit gesetzlich garantierter Religionsfreiheit bedeutet die Forderung nach Abschaffung des bestehenden Tanzverbots ein »Wehret den Anfängen«. Das heißt, dass wir jährlich »Heidenspaßpartys« an Stillen Tagen in geschlossenen Räumen organisieren, mit Unterstützung zahlreicher Veranstalter. In München gibt es viele Veranstaltungen am Gründonnerstagabend und Karfreitag. In Nürnberg sind wir erneut Kläger gegen das dortige Ordnungsamt, dass uns die »Heidenspaßpartys« trotz des Urteils aus Karlsruhe an Stillen Tagen verboten hat. Auch die Bayerische Staatsregierung weigert sich leider, das bestehende Feiertagsgesetz zu überarbeiten.
Wir sind in Anlehnung an den Urteilsspruch aus Karlsruhe der Ansicht, dass »Bevölkerungsteilen anderer kultureller und weltanschaulich-religiöser Prägung« durch unsere Veranstaltungen in geschlossenen Räumen an Stillen Tagen keine »unzumutbaren Belastungen« auferlegt werden. Es wird ja niemand gezwungen, sie zu besuchen. Eingeladen sind aber Menschen aller Weltanschauungen.
Petra Bahr ist evangelische Regionalbischöfin in Hannover und Mitglied des Deutschen Ethikrats.
Assunta Tammelleo ist Vorsitzende des Bundes für Geistesfreiheit in München.

Werner Kötter 07.04.2025, 15:23 Uhr:
Karfreitag sollte unbedingt ein stiller Feiertag bleiben, damit wird Rücksicht auf den zwar kleiner werdenden Teil der christlichen Bevölkerung genommen. Das ist doch nicht zuviel verlangt.
Reinhard Raschke 06.04.2025, 14:47 Uhr:
Alle Jahre wieder - es gibt 365/366 Tage im Jahr, davon 52/53 Freitage. Und da ist dieser eine Freitag, der aufgrund langjähriger Tradition ein stiller Feiertag sein soll, solch ein Ärgernis? Welche Kleingeistigkeit! Feiertage werden anlassbezogen gewährt und Karfreitag ist eben ein stiller. Wenn man das nicht will müssen die Gegner politisch dafür sorgen, dass er abgeschafft wird - so wie den Buß-und Bettag. Dann ist das ein ganz normaler Arbeitstag für alle. Für einen zusätzlichen Urlaubstag ist nicht der Gesetzgeber zuständig, sondern die Tarifparteien.
Reinhard Raschke
Irmela Werner 06.04.2025, 14:34 Uhr:
Die Umfrage zum Karfreitag mit ja oder nein zu beantworten, ist mir zu kurz gegriffen.
Ich möchte mit ja antworten, weil es ein christlicher Feiertag ist, der an das Leiden und Sterben Jesu Christi erinnert, damit auch a das Leiden aller Menschen, da Christus für alle gelitten hat.
Ich möchte mit nein antworten, weil ich atheistische und andersgläubige Menschen verstehen kann, die nicht daran glauben und den Tag mit seiner Stille nicht aufgezwungen haben möchten, für die es ein Tag wie jeder andere ist.
Aber wenn für sie dieser stille Feiertag nicht zumutbar ist und als undemokratisch empfunden wird, dann sollten sie an diesem Tag auch wie jeden anderen Werktag verbringen, zur Arbeit gehen oder einer anderen gemeinnützigen Tätigkeit nachgehen.
Insofern kann ich mir vorstellen, den Karfreitag als Feiertag abzuschaffen! Alle gehen ihrem Tagwerk nach, Christen können diesen Tag trotzdem in Stille im Gedenken an Jesu begehen, ein Tag Urlaub ist jedem wirklichen Christen dies wert.
Georg Lechner 01.04.2025, 16:53 Uhr:
Der Urteilsspruch aus Karlsruhe ist zu respektieren. Die Regierung des Freistaats Bayern riskiert eine markante Blamage im Fall einer Klage.