Pro und Contra
Klare Kante gegen Putin?
Klaus von Dohnanyi
Nein, der Dialog ist erforderlich!
In der internationalen Politik geht es immer auch um Sicherheitsinteressen des eigenen Landes. Regierungen müssen bemüht sein zu erreichen, was im Interesse des eigenen Landes liegt und die Verantwortung für das eigene Land übernehmen. Die Russische Föderation hat diktatorische Züge, Putins Außenpolitik nutzt militärische Bedrohungen gegenüber der Ukraine. Hier ist also zunächst die ukrainische Regierung gefragt. Sie muss im Interesse ihrer Bevölkerung alles tun, was die Gefahren mindert. Dafür werden deutlichere Schritte im Rahmen des Minsker Verständigungsprozesses wichtiger sein als Waffen. Erst in dieser Reihenfolge ist es dann auch die Pflicht der Bundesregierung russische Gefahren für Deutschland und Europa abzuwehren. Dafür ist ein Dialog mit dem großen Nachbarn Russland erforderlich.
Dieser Dialog muss auch die Interessen Russlands berücksichtigen. Das geschah nach dem Ende des Kalten Krieges nicht immer. Der heutige CIA-Chef von Präsident Biden und ehemaliger Botschafter in Moskau, William Burns, aber auch der US-Botschafter bei der Nato, Robert Hunter (1993-1998), machen, neben vielen anderen Fachleuten der USA, die Erweiterung der Nato und die »Hybris« des Westens für die heutige Lage verantwortlich. Da bricht also einer deutschen Regierung kein Zacken aus der Krone, wenn sie sich hinsichtlich der Ukraine dem anschließt.
Der Vorsitzende der Münchener Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, hatte übrigens schon 2018 geschrieben, im Bündnis sei die Natomitgliedschaft der Ukraine längst negativ entschieden; aus dem US-Thinktank Rand Corporation hört man jetzt, die Nato solle sich hier endlich ehrlich machen: Eine gute Grundlage für den Neuanfang mit Russland! Dann auch mit »harter Kante«.
Ralf Fücks:
Publik-Forum EDITION
»Das Ende des billigen Wohlstands«
Wege zu einer Wirtschaft, die nicht zerstört.»Hinter diesem Buch steckt mein Traum von einer Wirtschaft, die ohne Zerstörung auskommt. / mehr
Ja, unsere Werte sind nicht verhandelbar!
An ihren Handlungen sollt ihr sie erkennen: Die russischen Militärinterventionen in Georgien, der Ukraine und Syrien, die Mordanschläge auf Oppositionelle, der groß angelegte Hackerangriff auf den Bundestag, die Unterstützung antidemokratischer Parteien in Europa, die aggressive Desinformationspolitik und die wachsende Repression nach innen sprechen eine deutliche Sprache. Russland ist heute eine revanchistische Macht und Putin der Schutzherr aller Despoten von Assad bis Lukaschenko.
Putin & Co. haben eine strategische Entscheidung getroffen, auf Konfrontation mit dem Westen zu gehen, weil das ihrer Machtsicherung und ihren Großmachtambitionen dient. Die Berufung auf Sicherheitsinteressen ist ein Rauchvorhang. Die Nato hat weder die Fähigkeit noch die politische Absicht, Russland anzugreifen. Die wahre Bedrohung für den Kreml ist die Ausbreitung von Demokratie und Freiheit. Unsere historische Verantwortung gilt nicht nur Russland, sondern allen Völkern, die unter den Gräueln des deutschen Vernichtungskriegs gelitten haben. Schon gar nicht taugt sie als Alibi für deutsche Passivität gegenüber Gewaltpolitik nach innen und außen. Die Solidarität mit der Ukraine ist heute der Lackmustest unserer Außenpolitik. Wenn Russland Partner des demokratischen Europas sein möchte, stehen alle Türen offen. Solange der Kreml aber elementare Werte der europäischen Gemeinschaft attackiert, braucht es eine entschiedene Haltung: Bis hierher und nicht weiter. Wer mit dem Kreml verhandelt, muss deutlich machen, was nicht verhandelbar ist. Sonst verwandelt sich Dialogbereitschaft in Appeasement. Gleichzeitig sollten wir alles tun, um die bedrängte russische Zivilgesellschaft zu unterstützen. Sie ist die Hoffnung auf ein anderes Russland.
Ralf Fücks leitete von 1997 bis 2017 die Grünen-nahe Heinrich-Böll-Stiftung und gründete danach die Denkfabrik »Zentrum Liberale Moderne«.
Gerd Weißmann 21.07.2022, 16:59 Uhr:
Waffenlieferungen an die Ukraine morden auch unschuldige Menschen! Darum no zur Lieferung von "schweren" Waffen. Knallharte Verhandlungen zwischen der Russischen Förderration und der Ukraine mit dem Ziel eines Waffenstillstandes unter beiderseitigen Verzichtserklärungen von Siegeszielen (sieh Kissinger)!
Gerd Weißmann (Sprecher der Friedensinitiative Nordheide)
Bernhard Trautvetter 25.02.2022:
Es ist bitter, dass die bündnisgrüne Spitze, wie auch Ralf Fücks, das Nato-Narrativ (wir sind die Guten und im Osten sitzt die Gefahr) distanz- und kritiklos nachbetet. Es ist mitnichten (nur) Russland, das das Recht beugt und von dem aus die Spannungen in der und um die Ukraine ausgehen. Der Mitautor des Zwei-plus-Vier-Vertrages zur Deutschen Einheit, Michail Gorbatschow, sprach 2016 davon, dass die Konfliktspannung auf die westliche Arroganz zurückgehe. George F. Kennan warnte 1997, die Nato-Osterweiterung sei ein verhängnisvoller Fehler. Er sollte recht behalten. Mit der Nato-Osterweiterung brechen die Vertragsstaaten des Vertrages zum Beitritt der DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetzes von 1990 mit dem Gebot in seiner Präambel: Dort heißt es, die beteiligten Seiten hätten sich für eine gesamteuropäische Friedensordnung einzusetzen, die die Sicherheitsinteressen »eines jeden«, also auch Russlands, berücksichtigt. Der Konflikt ist also mitnichten durch Handlungen Russlands ausgelöst worden.
Wolfgang Reuner 25.02.2022:
In Ihrer Umfrage zur Russlandpolitik stehe ich voll auf der Seite von Klaus von Dohnanyi: keine kriegerische Konfrontation, sondern immer Dialog. Die vielen Kriege, die die USA nach 1945 führten, haben natürlich auch geopolitische Motive. Es war auch absolut wichtig für sie, ihren Einflussbereich weltweit zu erweitern. Und eine der größten Gefahren für die USA ist sicher, wenn sich Westeuropa mit Russland vereinigt. Damit hätten die USA ihre Vormachtstellung in der Welt verloren und dagegen wollen sie mit allen Mitteln angehen. Es ist schade, dass die vielen Friedensbemühungen in der vergangenen Zeit so wenig Beachtung fanden. Eine einmalige Möglichkeit bestand 2001, als Putin unter dem Beifall der Abgeordneten im Bundestag seine Rede hielt und den Vorschlag unterbreitete, »eine Friedenszone von Portugal bis Wladiwostok zu schaffen«. Später haben Journalisten gesagt, »er hat dem Westen die Hand gereicht, aber wir haben sie nicht angenommen«.
Peter Lehmann 03.02.2022, 10:04 Uhr:
Ich verstehe Ralf Fücks nicht. Es geht doch nicht daruum, Werte wie Demokratie und Freiheit zu verhandeln, sondern eine drohende militärische Aggression zu verhindern. Dabei haben noch nie Säbelrasseln geholfen. Ganz im Gegenteil. Zu Recht weist Klaus von Dohnanyi auf die Stimmen aus Sicherheitskreisen hin, die in der Osterweiterung der NATO eine Mitverantwortung für die gegenwärtige Krise sehen.
Dr. Mikusch 31.01.2022, 07:08 Uhr:
Die Ostpolitik war deshalb so erfolgreich, weil man einen ehrlichen Interessenausgleich mit der SU anstrebte und die Nachkriegsgrenzen anerkannte. Das machte den Grundlagenvertrag, KSZE, Glasnost, Perestroika möglich, führte später zur Wiedervereinigung und zur Auflösung der SU. Seit vielen Jahren erleben wir genau das Gegenteil: Russland wird immer repressiver, weil die Machthaber in Moskau sich eingekreist fühlen und einen vom Westen gesteuerten Regimewechsel befürchten.
Entgegen der Zusagen von 1990 hat sich die NATO bis an die russische Grenze ausgeweitet. Zwar ist die Angst der Balten und der Polen vor Russland verständlich, nur sollte man auch das Sicherheitsbedürfnis Russlands ernst nehmen angesichts von 27 Millionen ermordeten Sowjetrussen im 2. Weltkrieg.
Die USA würden es auch nicht akzeptieren, wenn Chinesen oder Russen in Kanada oder Mexiko Militärbasen oder Raketenabwehrsysteme errichten würden. 1962 haben sie deshalb sogar einen Atomkrieg riskiert.
Jochen Steinhagen 29.01.2022, 21:39 Uhr:
Seit Katharina der Großen (2. Hälfte 18.Jhhd.) ist die Krim russisch und seit dem Standort der Schwarzmeerflotte Russlands. Chrustschow (er war Ukrainer) hat 1954 die Krim der Ukraine ohne Abstimmung im obersten Sowjet geschenkt, nachdem Stalin ihm das 1944 verwehrt hat. Für mich eine Völkerrechtsfrage, die einer Klärung bedarf. Der 2 plus 4 Vertrag regelt in Artik. 5 die Nachrückung nur deutscher Natosoldaten bis an die Oder Neiße Linie, nach Abzug der sowj. Soldaten. H D Genscher in Abstimmung mit seinem US Kollegen James Baker; Zitat "Wir waren uns einig, daß nicht die Absicht besteht das Nato Verteidigungsgebiet nach Osten auszudehnen. Die EU Osterweiterung ist unstrittig. Die Nato Osterweiterung hätte nicht erfolgen dürfen. Bundeswehrsoldaten an der russischen Grenze ist Vertragsbruch des 2 pl. 4 Vertrages. Gorbatschow 1990 und Putin 2001 haben eine neue europ. Zusammenarbeit und Sicherheitssystehme angeboten. Der Westen ist nicht darauf eingegangen. Frage; Wer bedroht wen?
Dieter Krause 28.01.2022, 16:26 Uhr:
Herr Fücks stellt eine Menge von Konflikten dar,leider ohne die Konfliktfelder zu beleuchten. Kein Wort von den Ursachen des Konfliktes, kein Wort von den Schulden der Ukraine an Russland 2014, kein Wort von der münlichen Zusicherung gegen Natoosterweiterung im Zuge der Einheit Deutschlands. Kein Wort von der damaligen Rolle der CIA in der Ukraine. Kein Wort von den Interessen der ukrainischen Oligarchen. Schon 2019 wollte die " Speerspitze der Nato" ein Manöver an den osteuropäischen Grenzen abhalten. Man lässt sich in Nato Mitgliedschaften nicht reinreden,jedes Land sollte souverän sein, nur die Deutsche Freiheit "wird am Hindukusch verteidigt"?(Zitat, Herr Struck von der SPD). Und: Wenn man 2018 der Ukraine schon einen negativen Bescheid gegeben hat, warum gibt man dann nicht Russland diese Zusicherung schriftlich? Die Ukraine als neutraler Pufferstaat wäre in der gegenwärtigen Situation die beste Lösung für Europa und für Russland.
Martin Vogell 28.01.2022, 15:09 Uhr:
Die aktuelle Situation in Osteuropa ist im Wesentlichen der Tatsache geschuldet, dass man die NATO nach dem Zerfall des Warschauer Pakts nicht ebenfalls aufgelöst hat. Seit Anfang der 1990er Jahre ist die NATO Teil des Problems, aber keine Lösung. Statt einer nach Osten erweiterten NATO braucht es eine starke OSZE und einen ehrlichen Dialog - und da sehe ich auch auf westlicher Seite erheblichen Nachholbedarf.