Theater
»Mein Gott, Herr Pfarrer« an der Volksbühne Berlin
Theater. »Oh mein Gott! Keiner da.« Karin, die mit einer Kerze und vielen Fragen zum Gottesdienst eilt, ist sichtlich angefasst. Der schwermütige Pastor spricht aber lieber über sich und seine beruflichen (Fehl-)Entscheidungen, als sich auf einen religiösen Disput einzulassen. Der Auftakt beschreibt augenzwinkernd die religiöse Großwetterlage. Regisseur René Pollesch hat für »Mein Gott, Herr Pfarrer« an der Berliner Volksbühne die Grundfragen des existenzialistisch-evangelischen Pfarrerssohns und Regisseurs Ingmar Bergman mit den Analysen des scharfsinnigen katholischen Apologeten Gilbert K. Chesterton gekreuzt. Herausgekommen ist eine kurzweilige Melange aus Gottesfragen, Traumbildern und familiären Verletzungen einer Pfarrersfamilie. Schauspielerin Sophie Rois verleiht Karin eine solche Wucht, dass einem um das Christentum nicht bange zu sein braucht, solange es noch solche Leidenschaft erwecken kann. Pfarrer Ericsson kommt das Wort »glauben« nicht mehr über die Lippen: Seine Stimme wird kehlig, egal ob es um den Glauben an sich selbst oder an Gott geht. Aber weil nicht glauben auch keine Lösung ist, wäre zu fragen, ob nicht das Christentum die ideale Religion für Einsame, Atheisten und Zweifler sei, wie Karin empfiehlt. Schließlich habe Jesus an Gott gezweifelt und auch Gott sei einsam gewesen. Pollesch verpackt diese großen Fragen in Short Clips, pointiert und humorvoll, dann ein schneller Wechsel in ein Alltagsbild. Der grüblerische Pastor ist auch ein guter Koch und ein feines Mittagessen hat dieselbe Dignität wie ein Gottesdienst. Mindestens.
? »Mein Gott, Herr Pfarrer« ist am 25.6. und 7.7. in der Volksbühne in Berlin zu sehen und wird nach der Sommerpause wieder aufgenommen.