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Dieser Artikel stammt aus
Publik-Forum, Heft 12/2023
Der Inhalt:
Leben & Kultur

Theater
»Mein Gott, Herr Pfarrer« an der Volksbühne Berlin

von Michael Schrom vom 20.06.2023
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Theatralisches Christentum: Sophie Rois spielt wieder an der Berliner Volksbühne (Foto: www.gordonwelters.com)
Theatralisches Christentum: Sophie Rois spielt wieder an der Berliner Volksbühne (Foto: www.gordonwelters.com)

Theater. »Oh mein Gott! Keiner da.« Karin, die mit einer Kerze und vielen Fragen zum Gottesdienst eilt, ist sichtlich angefasst. Der schwermütige Pastor spricht aber lieber über sich und seine beruflichen (Fehl-)Entscheidungen, als sich auf einen religiösen Disput einzulassen. Der Auftakt beschreibt augenzwinkernd die religiöse Großwetterlage. Regisseur René Pollesch hat für »Mein Gott, Herr Pfarrer« an der Berliner Volksbühne die Grundfragen des existenzialistisch-evangelischen Pfarrerssohns und Regisseurs Ingmar Bergman mit den Analysen des scharfsinnigen katholischen Apologeten Gilbert K. Chesterton gekreuzt. Herausgekommen ist eine kurzweilige Melange aus Gottesfragen, Traumbildern und familiären Verletzungen einer Pfarrersfamilie. Schauspielerin Sophie Rois verleiht Karin eine solche Wucht, dass einem um das Christentum nicht bange zu sein braucht, solange es noch solche Leidenschaft erwecken kann. Pfarrer Ericsson kommt das Wort »glauben« nicht mehr über die Lippen: Seine Stimme wird kehlig, egal ob es um den Glauben an sich selbst oder an Gott geht. Aber weil nicht glauben auch keine Lösung ist, wäre zu fragen, ob nicht das Christentum die ideale Religion für Einsame, Atheisten und Zweifler sei, wie Karin empfiehlt. Schließlich habe Jesus an Gott gezweifelt und auch Gott sei einsam gewesen. Pollesch verpackt diese großen Fragen in Short Clips, pointiert und humorvoll, dann ein schneller Wechsel in ein Alltagsbild. Der grüblerische Pastor ist auch ein guter Koch und ein feines Mittagessen hat dieselbe Dignität wie ein Gottesdienst. Mindestens.

Dieser Artikel stammt aus Publik-Forum 12/2023 vom 23.06.2023, Seite 55
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