Editorial
Liebe Leserin, lieber Leser,
oft fängt der Tag mit schlechten Nachrichten an. Der erste wache Blick gilt dem Handy und den Push-Meldungen über das viele Übel, das in der Nacht passiert ist. Ich habe gleich mehrere Apps beauftragt, mir darüber bitte sofort Bescheid zu geben, und vielleicht hat das über die Jahre meinen Blick auf die Nachrichtenlage verdunkelt. Das Erwachen nach dem Brexit-Referendum und der Trump-Wahl 2016 hat sich jedenfalls ins Gedächtnis eingebrannt.
Für die Parlamentswahl in Frankreich hatte ich mich auf ein solches Erwachen eingestellt. Stattdessen kam noch am Abend die perplexe Botschaft: Die Rechten haben verloren. Morgens war das Internet voller Videos von Französinnen und Franzosen, die sich weinend in den Armen liegen und das Ergebnis feiern. Ein bisschen Optimismus wäre nicht verkehrt gewesen, aber den habe ich mir in den vergangenen Jahren abgewöhnt.
Thorsten Dietz greift diese Abgewöhnung auf. »Wir sind nicht mehr hoffnungsfroh. Angesichts der Zeichen unserer Zeit können – und müssen – wir es nicht sein«, schreibt er in der Titelgeschichte (Seite 12) und plädiert für ein anderes Glaubenswort: für die Zuversicht. Ein Text, der die Stimmung der Zeit auffängt und der Theologie eine Revision ihres Redens von der Hoffnung vorschlägt.
Publik-Forum EDITION
»Das Ende des billigen Wohlstands«
Wege zu einer Wirtschaft, die nicht zerstört.»Hinter diesem Buch steckt mein Traum von einer Wirtschaft, die ohne Zerstörung auskommt. / mehr
Für Medienschaffende gehört der kritische Blick auf die Gegenwart zum Job. Wenn Interviewpartner allzu positive Prognosen liefern, halten wir dagegen und erinnern sie an die Schwierigkeiten, die es zu beachten gibt. Im Gespräch mit Nina Käsehage über religiöse Radikalisierung (Seite 36) gab es mehrere solcher Momente. Mehrmals erklärte sie uns, dass sie trotz allem optimistisch bleibe – und vor allem, dass sie im Gespräch bleibe. Um das Miteinanderreden geht es auch im Interview mit dem Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen (Seite 20), der daran erinnert: Es gibt in öffentlichen Diskussionen nicht nur eine große Gereiztheit, sondern auch echte Wertschätzung und Respekt.
Wie immer finden Sie in diesem Heft auch viele gute Nachrichten. Meine Empfehlung: Starten Sie auf Seite 44 mit der Geschichte über einen Landwirt, der erzählt, warum er frohen Mutes in die Zukunft geht.
Judith Bauerist Redakteurinbei Publik-Forum.
Foto: Alex Berry