Pro und Contra
Sollten wir uns pflanzlich ernähren?
Barbara Tambour:
Ja, das ist richtig!
Mehr pflanzliche Lebensmittel und weniger – besser keine – tierischen Lebensmittel konsumieren, ist der richtige Weg. Das hat ein enormes Klimaschutzpotenzial, nutzt Mensch und Umwelt. Denn rund 80 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzflächen weltweit werden für die Produktion tierischer Lebensmittel genutzt. Diese tragen aber nur zu 18 Prozent der globalen Energie- und 37 Prozent der Proteinversorgung bei. Es geht enorm viel verloren, wenn erst Kuh, Schwein oder Huhn Getreide fressen – und der Mensch dann das Tier. Würde ein größerer Anteil der Ackerflächen für die Erzeugung von Essen für Menschen statt von Futter für Tiere genutzt, ließe sich das Angebot von Lebensmitteln ausweiten, Preisanstiege wie aktuell und Hunger vermindern.
Zirka ein Drittel aller menschlicher Treibhausgasemissionen sind der Ernährung zuzuordnen. Mehr als die Hälfte davon zu Lasten der Herstellung tierischer Lebensmittel. Der Bedarf an Flächen für Weiden und Futtermittelanbau führt dazu, dass Wälder abgeholzt werden, besonders in den Tropen. Der Blick in die Nähe zeigt: Nicht nur die Tiere leiden vielfach in den Ställen, auch die Menschen in Schlachthöfen und in der Fleischverarbeitung werden ausgebeutet, die Arbeit macht sie krank.
Zugegeben, diese Argumente klingen abstrakt und fern, wenn ich vor der Frage stehe »Falafel-Bällchen oder Schnitzel?«, »Margarine oder Butter?«. Als ich vor etwa 15 Jahren aufhörte, Fleisch zu essen, war für mich das Tierleid maßgeblich. Die Klima-, Umwelt- und Gerechtigkeitsargumente bestärken mich und veranlassen mich, mich noch stärker pflanzenbasiert zu ernähren, meinen Konsum tierischer Produkte wie Milch und Eier zu minimieren. Klar ist: Mein Essen rettet nicht die Welt. Aber auch: Unsere Ernährungsgewohnheiten können die Welt, wie wir sie kennen, zerstören.
Matthias Dobrinski:
Publik-Forum EDITION
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Nein, ich mag Käse!
Wann ich Fleisch esse? Manchmal am Wochenende oder im Restaurant, immer aber bei meinen Eltern, wo ich weiß, wie viel Liebe in Papas Rinderbraten steckt. Der Durchschnittsdeutsche isst 60 Kilo Fleisch im Jahr, ich komme auf vielleicht 15 Kilo. Aber ich liebe Käse, viel mehr als Fleisch. Ich weiß, dass auch Käse der Umwelt schadet, deshalb schmiere ich mir tapfer Gemüsepaste aufs Brot, und ja: Ich muss da tapfer sein. Aber mein Stücklein Käse, das will ich mir erhalten, als kleinen Luxus am Abend. So, wie am Morgen die Kuhmilch im Kaffee. Im Müsli schwappt längst die Hafermilch. Im Kaffee schmeckt sie mir einfach nicht.
So lebe ich also mit meinen Kompromissen, und ich stehe zu ihnen. Ich halte sie nicht für ethisch-moralisch defizitär. Einmal, weil viel gewonnen wäre, wenn alle Deutschen so leben würden. Viel mehr aber noch, weil ich das Leben in und mit Kompromissen als sehr menschlich ansehe; Menschen werden erst durchs Unvollständige zum Menschen. Ich finde, dass Massentierhaltung und Billigproduktion von Lebensmitteln verboten gehören, weiß aber, wie leicht ich mich mit dieser Forderung tue – ich kann mir den Biomarkt leisten. Ich habe höchsten Respekt vor Menschen, die vegetarisch oder vegan leben; die Häme, die ihnen entgegenschlägt, zeigt, dass sie einen wunden Punkt unseres Lebens treffen. Aber ich denke nicht, dass dieser wunde Punkt durch eine höhere Moraldosis zu heilen ist: Wir sollten jetzt alle mal.
Vielleicht ist es Zufall, aber in meinem Bekanntenkreis haben viele Menschen, die sich nur von Pflanzen oder fleischlos ernähren, einen Hund. Ich lese: Ein aktiver Hund mit 20 Kilo Gewicht frisst 300 Gramm Fleisch am Tag. Macht 109,5 Kilo im Jahr. Bitte jetzt nicht das gute Tier gegen einen mürrischen, jedoch garantiert vegan lebenden Hamster eintauschen. Aber vielleicht ein bisschen Verständnis haben, wenn ich mein Stücklein Käse verteidige, die Milch im Kaffee und Papas Rinderbraten.
Barbara Tambour ist Redakteurin bei Publik-Forum.
Matthias Drobinski ist Chefredakteur bei Publik-Forum.
Monika Ederer-Mosing 26.09.2022, 22:38 Uhr:
Beim Thema "vegane Ernährung" muss immer auch erwähnt werden, dass diese gesundheitsschädlich ist, außer man wählt die Nahrung so aus, dass kein Proteinmangel entsteht, führt sich zusätzlich Vitamin B 12 zu und achtet noch auf weitere wichtige Nährstoffe wie Jod oder Eisen. Ebenso sind regelmäßige Blutuntersuchungen nötig, um das richtige Ausmaß der Aufnahme von Protein, Vitamin B 12 und weiteren Nährstoffen zu überprüfen. Insbesondere schädlich ist Margarine, die aus Transfetten besteht. Alle Nährstoffe, auf die Veganer/innen achten müssen, findet man auf der Website der Deutschen Gesellschaft für Ernährung.
Dr. med. Axel Dorszewski 14.09.2022, 19:01 Uhr:
Sehr geehrter Herr Dobrinski,
zum Contra verdonnert?!
Die drastische Reduktion von Fleisch- und Milchprodukten ist ein gut belegter Beitrag für das Klima und reduziert das Leid unzähliger Tiere. Die liebevolle Verantwortung für Tiere und künftige Generationen sollte die Liebe zum Rinderbraten überwiegen. Vielleicht ist Ihr Vater ja flexibler als Sie denken. Genießen Sie mit ihm den Braten zu Weihnachten oder zum Geburtstag. Ansonsten könnten Sie zusammen zweimal im Monat ebenso liebevoll gemachte vegane Gerichte gemeinsam ausprobieren (z.B. Kohlrouladen, Nussbraten). Übrigens Fleisch vom Biomarkt ist nicht gleich artgerechte Tierhaltung und die Schlachtfabrik ist meist dieselbe. Noch zum Thema Hund: Hunde sollten und können hervorragend vegan ernährt werden. Es gibt einen großen Markt an vollwertigen veganen Fertigfutter für Hunde und mittlerweile auch für Katzen. Unsere zwei großen Hunde (je 60kg) bekommen es bereits seit 4 Jahren und vertragen es bestens. Danke für dieses Thema:-)
Manfred Uwe Mildner 12.09.2022, 18:57 Uhr:
Ich verstehe alle, die sich radikal für fleischloses Essen entscheiden, denn wie heutzutage Fleisch, Milch und Eier überwiegend "erzeugt" werden, ist nicht angemessen. Es gibt aber auch überall Betriebe, die sorgsamer mit Tieren umgehen und eher naturnah Milch und Eier und auch Fleich erzeugen (z.B. Solawis). Alle Esser sollten sich genau überlegen, wie die Nahrung auf ihren Tisch kommt. Es geht nicht nur um Pflanzen oder Fleisch, es geht auch um Herstellungs- und Transportenergien. Brauche ich Früchte aus Südamerika?Und noch etwas ist sehr wichtig: Vitamin B12, das in Pflanzen so gut wie nicht vorkommt und der Mangel an B12 zu gravierenden neurologischen Schäden bei (ungeborenen) Babys führen kann. (Bas Kast in "Der Ernährungskompass", C.Bertelsmann 2018, S.266)
Dort fand ich auch Hinweise, dass die uralten Leckereien (Butter und Käse) gut für den Menschen sind. Ich esse also gern Butter, Käse, Joghurt aus tierfreundlicher Produktion und ein wenig Fleisch von Tieren, die ich kenne.
Georg Lechner 12.09.2022, 15:40 Uhr:
Auch ich mag Käse. Ich denke, dass die Bergbauern auch wirtschaftlich überleben können sollten, die auf die Tierhaltung als Existenzgrundlage angewiesen sind. Mit Milch und Molkereiprodukten kann man viel hochwertiges Eiweiß zu sich nehmen und damit den Fleischkonsum senken bzw. überhaupt ersetzen.
Ich bin auf einem Bauernhof aufgewachsen und da bekamen die Kühe nur nach dem Kalben etwas Getreideschrot, sonst ausschließlich Grünfutter bzw. im Winter Heu. Bei der industriell betriebenen Tiermast sieht es anders aus, gegen diese ist die herkömmliche Rinderhaltung nicht mehr konkurrenzfähig (auch der elterliche Hof ist seit einigen Jahrzehnten verpachtet, mit 7 Kühen ist kein Staat mehr zu machen).
Matthias Rabbe 12.09.2022, 13:03 Uhr:
Liebe Barbara Tambour, lieber Matthias Drobinski,
es wird gegessen, was auf den Tisch kommt. Für die meisten Menschen auf der Welt kommt leider nichts mehr täglich auf den Tisch und viele Familien hoffen, dass die Teuerungsraten nicht so hoch ausfallen, dass sie auf Weihnachten vor der Entscheidung stehen, Heizen oder Weihnachtsbraten?
Wir alle ernähren uns schon pflanzlich. Jeder Salat, jede Pommes, jedes Gemüse, jeder Gratin ist (wenn er ohne Käse, ohne Sahne ist) pflanzlich, egal ob im teuren italienischen Öl gebruzzelt oder in der Deutschen Markenbutter. Die Frage ist, brauch es eine Fleischbeilage und wie oft oder überhaupt? Ein Ja-Nein-, ein Schwarz-Weiß-Denken (-Handeln) rettet auf keinen Fall das Klima - maximal das Gewissen und den Standpunkt an der Theke.
Beatrice Hinte 10.09.2022, 17:06 Uhr:
Zumindest sollte sich jeder und jede bemühen, tierische Produkte zu minimieren, wenn man denn nicht darauf verzichten kann. Und das gilt nicht nur für Lebensmittel, sondern auch für Bekleidung und die ganze Lederverarbeitung.
Klaus M. Wissemeier 09.09.2022, 10:36 Uhr:
Ich finde man sollte 6/7 vegetarisch
und 1/7 auch nicht vegetarisch essen.
Schwarz-Weis Malerei ödet mich an.