Eugen Drewermanns Biograf meldet sich zu Wort
Fahrlässiger Journalismus?
Der Theologe, Schriftsteller und Psychoanalytiker Eugen Drewermann räumt nach Angaben seines Biographen Matthias Beier ein, er habe den »Neuen Krefelder Appell« unterschrieben, »ohne ihn genau zu lesen«. Der Appell behauptet, Impfkampagnen gefährdeten »Milliarden von Menschen«, dahinter stehe die Strategie eines »Great Reset«, mit dem »der Kapitalismus über einen gezielten Zusammenbruch und einen Neustart auf eine noch perversere Stufe gehoben werden soll«. Zu den Erstunterzeichnern gehört neben Drewermann auch Michael Ballweg, Gründer der Stuttgarter »Querdenker«-Bewegung. Drewermann sei davon ausgegangen, einen Aufruf in der Tradition des »Krefelder Appells« der Friedensbewegung von 1980 zu unterstützen, so Beier, der als Vertrauter Drewermanns gilt. Ballweg sei Drewermann unbekannt gewesen. Er, Beier, rate Drewermann, »in Zukunft genauer zu prüfen, bevor er Appelle unterzeichnet«. Drewermann sei damit aber weder Anhänger der Querdenker, noch unterstütze er Verschwörungserzählungen.
Publik-Forumhatte über die Erst-Unterzeichnung Drewermanns berichtet. In zwei Antworten auf Anfragen von Publik-Forum hatte sich Drewermann nicht von dem »Neuen Krefelder Appell« distanziert, auch nicht in einer Erwiderung in Publik-Forum (Nummer 6/2022).
In dieser Erwiderung hatte Drewermann geschrieben, er halte die Nato für die »schlimmste Angriffsarmee der Weltgeschichte« – nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine. Dies kritisierte dann der Paderborner Theologe Peter Eicher, ein langjährige Weggefährte Drewermanns, scharf. Diese Wortwahl sei »missverständlich«, schreibt Beier, Drewermann habe damit betonen wollen, dass die Nato »das zahlenmäßig größte aktive Militärbündnis mit den meisten scheußlichen Waffen in der Weltgeschichte ist«. Den nationalsozialistischen Angriffskrieg wolle er damit keinesfalls relativieren.
Auch die in Publik-Forum kritisierte Behauptung in seiner Neujahrsansprache, die Hamburger Polizei habe missliebige Corona-Forschungsergebnisse verschwinden lassen, erhält Drewermann offenbar nicht mehr aufrecht. Es handle sich dabei »um einen versehentlichen Fehler«, der in der Druckausgabe der Rede korrigiert werde, nicht um eine Verschwörungserzählung, so Beier. Publik-Forum hatte Drewermann in zwei Schreiben nach den Quellen dieser Behauptung gefragt und war ohne Antwort geblieben. Drewermann rate nicht vom Impfen ab, er selbst sei mit einem Vektorimpfstoff geimpft, bleibe aber skeptisch angesichts der ungenügend erforschten Nebenwirkungen von mRNA-Impfungen. Vor allem aber wende er sich gegen »die spalterische Rhetorik« gegenüber Menschen, die sich nicht impfen lassen wollten.
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Beier wirft Publik-Forum und insbesondere Reporter Matthias Dobrinski vor, fahrlässigen Journalismus zu betreiben; die Vorwürfe gegen Drewermann hielten einem »Faktencheck nicht stand«. Drewermann habe den Krieg in der Ukraine ein »Verbrechen« genannt und in einem Interview mit dem Propagandasender Russia Today die Militärparaden in Moskau kritisiert und zum Pazifismus aufgerufen. Gemeinsame Auftritte und ein Interview mit Ken Jebsen bedeuteten nicht die Übernahme seiner Positionen. Publik-Forum konstruiere hier eine »Kontaktschuld«.
Publik-Forum-Reporter Matthias Drobinski hingegen betont in einer Antwort an Matthias Beier, die in der Berichterstattung und Kommentierung erhobenen Vorwürfe seien sehr wohl durch die Fakten gedeckt. Wenn Drewermnn im Interview mit Beier sage: »Ich halte diesen Krieg für ein Verbrechen wie jeden Krieg, daran ist kein Zweifel. Aber wir hätten ihn vermeiden können, wenn wir auf die Russen gehört hätten« – dann sei eine »unsägliche Täter-Opfer-Umkehr«. Und auch, wenn Drewermann mit seinem Satz von der Nato als schlimmster Angriffsarme der Weltgeschichte Hitler nicht relativieren wolle – er tue es. Drewermanns Aussagen in der Neujahrsansprache bestärkten zudem Menschen in der Auffassung, man sei ungeimpft mit einem guten Immunsystem besser geschützt als geimpft – »gerade bei älteren Menschen ist diese Auffassung aber gefährlich«. Zudem sei die Häufung von Drewermanns Auftritten bei und mit Verschwörungsideologen bedenklich.
Ihn freue jedoch, dass die Berichterstattung »zumindest teilweise zu neuem Nachdenken geführt hat«. Eugen Drewermann habe »größte Verdienste, viele Menschen verehren ihn und vertrauen ihm«. Das bringe aber auch Verantwortung mit sich.
Die Erklärung von Matthias Beier finden Sie hier, die von Matthias Drobinski hier
Matthias Drobinski 20.05.2022, 12:49 Uhr:
Teil 2:
- Ich bleibe dabei: Sowohl in Eugen Drewermanns Erwiderung auf meinen Text als auch in dem Interview, das er Ihnen gegeben hat, gibt es nicht die geringste Empathie mit den leidenden Ukrainerinnen und Ukrainern. Wladimir Putin erscheint als jemand, der, von der Nato in die Enge getrieben, einen blöden Fehler gemacht hat. Über die Nato lässt sich sehr viel Kritisches sagen, aber Fakt ist schlicht: Sie hat 2008 ein Beitrittsgesuch der Ukraine abgelehnt. Der Satz Eugen Drewermanns, diesen Krieg gebe es nicht, wenn „wir auf die Russen gehört“ hätten, ist und bleibt hanebüchen.
In meiner persönlichen Mail an Sie habe ich angeregt, dass Sie auf Ihren/Eugen Drewermanns Online-präsenzen tun, was wir bei Publik-Forum tun: Wir bringen auch Eugen Drewermanns und Ihre Argumente. Bringen Sie auch meine oder die von Peter Eicher, der einen wunderbar emphatischen, kritischen, auch traurigen Beitrag geschrieben hat? Bis jetzt nicht. Schade.
Es grüßt Sie ratlos, Matthias Drobinski
Matthias Drobinski 20.05.2022, 12:42 Uhr:
Werter Herr Professor Beier,
ein paar kurze Anmerkungen (Teil 1, Teil 2 folgt):
- selbstverständlich ist mein Beitrag über Eugen Drewermanns Irrwege von den Kolleginnen und Kollegen der Publik-Forum-Redaktion gegengelesen,für gut befunden und freigegeben worden. Publik-Forum ist ja auch presserechtlich für den Text verantwortlich. Wie eine Redaktion arbeitet, scheint Ihnen nicht so recht klar zu sein. Gehen Sie davon aus, dass ich nachts heimlich in die Redaktion schleiche und dort schreibe, was niemand sieht?
- Sie wollen als neutraler Biograf Eugen Drewermanns wahrgenommen werden. Nur: Sie betreuen und verantworten seine Internetauftritte. Ihr Interview mit Eugen Drewermann zeugt von völliger Distanzlosigkeit. Ich fände es nur ehrlich, wenn Sie Ihre Rolle auch klar benennen würden: Sie sind Vertrauter, Interpret, Erklärer, Verteidiger Drewermanns. Das ist ja auch keine Schande.
Matthias Beier 20.05.2022, 04:03 Uhr:
2/2 Fortsetzung - Von Matthias Beier, Autor "Eugen Drewermann: Die Biografie":
3. „Täter-Opfer-Umkehr“. Wiederum falsch. Nur weil Drewermann ähnlich wie auch renomierte Politikwissenschaftler (z.B. John Mearsheimer, University of Chicago) sagt, „wir,“ d.h., die NATO, „hätten ihn [den Krieg] vermeiden können,“ wird die NATO doch jetzt nicht zum Opfer! Hier wird fälschlich insinuiert, Drewermann mache die Ukrainer für den Krieg verantwortlich, weil er betont, dass die NATO Schuld ist an der Situation, die letztlich zum Krieg geführt hat: die strategische Ostausdehnung der NATO. Diese Schuld der NATO als Täter muss zusammen mit der Schuld Putins als Täter erwähnt werden, wenn man von den ukrainischen Opfern des Krieges spricht. Die Opfer des geostrategischen Schachspiels, in dem NATO die Ukraine wie einen Bauern benutzt, um sich Vorteile zu schaffen (Macht, Resourcen, neue Mitglieder),sind die Ukrainer. Hätte NATO vor dem Krieg die Neutralität der Ukraine bekräftigt, gäb es keinen Krieg
Matthias Beier 20.05.2022, 03:30 Uhr:
1/2 Von Matthias Beier, Autor "Eugen Drewermann: Die Biografie":
Die Erwiderung Drobinskis führt leider die Verdrehungen und falschen Behauptungen nur weiter. Beispielhaft seien nur drei hier genannt:
1. „Beier wirft Publik-Forum und insbesondere Reporter Matthias Dobrinski vor.“ Das ist falsch. Ich habe Publik-Forum als Magazin überhaupt keine Vorwürfe gemacht. Mein Faktencheck bezog sich ausdrücklich nur auf den Journalismus von Drobinski in drei verschiedenen Veröffentlichungen. Das Prinzip einer für alle gilt in meiner Sicht nicht.
2. Herr Drobinski gehe bei mir „von einer Art Pressesprecher-Funktion aus“. Auch das ist falsch. Ich habe klar als „Biograf Drewermanns“ geschrieben und betont, dass es sich um einen Faktencheck und nicht um eine Verteidigung Drewermanns handelt.