Private Entwicklungshilfe
Einsatz für Frauen in Kolumbien
Drei Tage hatte Theodor Rüber damals Zeit, sich den Chocó anzuschauen, eine abgelegene Region in Kolumbien. Mehr war nicht drin, der nächste bewaffnete Streik stand kurz bevor. Diese drei Tage haben gereicht. Danach konnte er die Region nicht mehr als Unbeteiligter verlassen, sagt der heute 34-Jährige. Der Einsatz der Kolumbianer hatte ihn angesteckt. Und auf den Hinweis des dortigen Bischofs hin, es fehle ein Wohnheim für Mädchen aus dem Dschungel, gründete Theodor Rüber, zurück in Deutschland, die Organisation Casa Hogar. Fünf Jahre ist das her. Seither setzt er sich mit seinem Team für Frauenbildung und -stärkung im Chocó ein. An den Zielen der Initiative zweifelt er nicht, den Weg dorthin und seine eigenen Motive hinterfragt er ständig.
2015, gegen Ende seines Medizinstudiums, kam Theodor Rüber für ein Praktikum in den Chocó. Tiefer Dschungel und anhaltende Konflikte machen dort den Menschen das Leben schwer: Guerilla und Paramilitärs bekämpfen sich, multinationale Unternehmen bedrängen die einheimische Bevölkerung. Darunter leiden besonders die Frauen und Mädchen. Ihnen fehlt es an Bildungs- und Berufsmöglichkeiten. In einer patriarchalen Gesellschaft enden sie oft in Gewalt oder Prostitution.
Mit Casa Hogar – Spanisch für »Zuhause« – möchte Theodor Rüber etwas daran ändern. Jung und naiv habe er die Initiative gemeinsam mit einigen Freunden gegründet, erzählt er; heute wird sie von wenigen Hauptamtlichen und mehr als 120 ehrenamtlichen Mitarbeitern getragen. Casa Hogar hat Wohnheime für Frauen und Mädchen gebaut, Stipendien für Schule oder Universität organisiert und Projekte umgesetzt, die das Selbstbewusstsein der Frauen stärken. Sie sollen sich behaupten und selbstständig entscheiden können.
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Rüber arbeitet als Arzt und Forschungsgruppenleiter an der Universitätsklinik Bonn, so bleiben ihm nur die Abende und Wochenenden für Casa Hogar. Warum er das tut? Um die Lebensumstände der Mädchen und Frauen zu verbessern, sagt er, klar – aber auch für sich selbst. Ihn reizen die fremde Kultur, die unternehmerische Herausforderung, eine entwicklungspolitische Organisation zu leiten, und die unterschiedlichen Rollen, die er dabei einnehmen muss. Mindestens einmal im Jahr ist der 34-Jährige vor Ort, nimmt sich Zeit für die Frauen und Mädchen, ist einfühlsamer Gesprächspartner. Zurück in Deutschland kümmert er sich vor allem um die Leitung von Casa Hogar, sammelt Spenden bei Unternehmen und in Charity-Clubs.
Regelmäßig reflektiert er mit seinem Team die eigenen Motive. Der Grat zwischen gutem Willen und Bevormundung in der Entwicklungszusammenarbeit sei schmal. Viele NGOs nutzen Bilder von Schwarzen Kindern in Lumpen, um zum Spenden anzuregen. So aber festigt sich in Europa das Bild von Nicht-Weißen als hilfsbedürftig und unmündig. Von diesem Bild distanziert sich Casa Hogar. Die Spenden seien keine Almosen, sagt Rüber, sondern der Beitrag, den sie von Deutschland aus leisten könnten. Entscheidungen und Verantwortung sollen von denen getragen werden, die es betrifft – den Menschen im Chocó. »Wir wollen nicht als weiße Europäer diktieren, wie es besser geht«, sagt Rüber. Das kolumbianische Team kennt die Besonderheiten des Lebens im Chocó, weiß um die unausgesprochenen Verhaltensregeln im Umgang mit den rivalisierenden Banden, hat Verbindungen zu anderen Projekten und Partnern in der Region. Das ist Casa Hogars Stärke.
Trotzdem: Alles, was sie aufbauen, kann morgen kaputtgehen. Korruption, Gewalt, das Wetter – die Probleme des Chocó bleiben, auch wenn Casa Hogar mittlerweile gut mit ihnen umgehen kann. Was die Mädchen mit ihrer Bildung machen, bleibt ihnen selbst überlassen. Sie können sich gegen den Weg entscheiden, den Casa Hogar sich für sie wünscht – dass sie im Land bleiben und die Gesellschaft verändern. Sie können auch ihr Glück im Ausland suchen. »Unser Einsatz ist eine Wette auf die Zukunft«, sagt Theodor Rüber. Aber er geht sie ein, die Wette.