Pro und Contra
Corona-Abgabe für Besserverdienende?
Verena Bentele:
Ja, sonst droht Sozialabbau
»Wer soll das bezahlen, wer hat so viel Geld?« – diese Liedzeile ist ein Klassiker im Karneval. Der Kölner Jupp Schmitz hat den Titel Mitte des vergangenen Jahrhunderts vertont. Anlass war die Währungsreform. Die Läden waren zwar wieder voll mit Waren, aber keiner hatte genug Geld. Meine Großmutter ließ im Krämerladen anschreiben, mein Großvater hatte einen Deckel in der Dorfkneipe.
In der Corona-Pandemie handelt die Bundesregierung ähnlich. Um die Folgen zu dämpfen, wurden Milliarden Euro neue Schulden aufgenommen. Doch wer soll das bezahlen? Wenn der Zahltag naht, darf die Antwort nicht lauten: soziale Ausgaben kürzen oder Umsatzsteuer erhöhen. Denn dann würden Alleinerziehende, Rentnerinnen und Rentner und Geringverdiener die Zeche zahlen.
Um die Schulden zu begleichen, brauchen wir die Hilfe großer Unternehmen und von Menschen, die viel besitzen. Eine einmalige Vermögensabgabe kann helfen, gerne mit einem Freibetrag von mindestens einer Million Euro. Auch selbstbewohnte Häuser und Wohnungen müssen ausgenommen werden. Von einer solchen Abgabe wären laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung weniger als 500 000 Personen in Deutschland betroffen. Jupp Schmitz erlebte 1952 die erste Vermögensabgabe in der jungen Bundesrepublik. Mit ihr wurde der Wiederaufbau finanziert. Im Grundgesetz steht, dass die Bundesregierung zu diesem Mittel greifen darf, wenn es einen außerordentlichen Finanzbedarf gibt. Durch die Corona-Pandemie macht Deutschland Schulden wie noch nie. Wir sind Zeugen einer Ausnahmesituation. Deshalb müssen alle, die mehr haben, auch mehr schultern. Wenn Jupp Schmitz noch lebte, hätte er vielleicht auch darüber ein Lied gesungen.
Gabriel Felbermayr:
Publik-Forum EDITION
»Das Ende des billigen Wohlstands«
Wege zu einer Wirtschaft, die nicht zerstört.»Hinter diesem Buch steckt mein Traum von einer Wirtschaft, die ohne Zerstörung auskommt. / mehr
Nein, das gefährdet die Wirtschaft
Steuererhöhungen oder Abgaben sind zur Bewältigung der absehbaren Lasten aus der Corona-Krise nicht notwendig. Denn die zu erwartende Neuverschuldung des Bundes beträgt für das Jahr 2020 voraussichtlich 218 Milliarden Euro, wovon 118 Milliarden nach den Regeln der Schuldenbremse über zwanzig Jahre getilgt werden müssen. Dadurch entsteht ein jährlicher Tilgungsbedarf von sechs Milliarden Euro. Angesichts des niedrigen Zinsniveaus ist das verkraftbar.
Allein schon die Ankündigung von Steuererhöhungen würde die Ziele eines Konjunkturprogramms konterkarieren. Eine Vermögenssteuer würde die Investitionen im Land verringern, denn sie setzt auch an der finanziellen Substanz von Unternehmen an. Dies ginge einher mit einem Absinken der langfristigen Wachstumsdynamik unserer Volkswirtschaft, was auf Dauer eine Schwächung der öffentlichen Haushalte bedeuten würde. Nach Ende der Krise müsste mit Eingriffen in die laufenden Haushalte reagiert werden.
Eine Vermögenssteuer ist zudem problematisch, weil sie zu Ausweichreaktionen führen wird. Ihrem Aufkommen stehen Mindereinnahmen durch andere Steuerarten gegenüber. Die Folge wäre ein insgesamt negatives Gesamtsteueraufkommen. Sie stellt somit eine ineffiziente Form der Besteuerung dar. Durch eine einmalige Vermögensabgabe könnten zwar gewisse Ausweichreaktionen vermieden werden, doch bereits die Diskussion über die Einführung einer solchen Abgabe führt zu unerwünschten Reaktionen wie Kapitalflucht oder einer Portfolio-Umschichtung hin zu Anlageformen, die von der Besteuerung ausgenommen sind – was ebenso zu einem negativen Gesamtsteueraufkommen führen dürfte.
Verena Bentele, geboren 1982, ist Präsidentin des Sozialverbandes VdK. Sie war Biathletin und Skilangläuferin. Sie wurde vier Mal Weltmeisterin und war zwölf Mal Paralympics-Siegerin.
Gabriel Felbermayr, geboren 1976, ist Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft.
Michael Heinrich 18.12.2020:
Verena Benteles Vorschlag ist der einzig richtige, er würde Härtefälle völlig ausschließen und träfe auf ein Heer von Vermögenden, die teilweise sogar freiwillig von ihrem Reichtum abgeben würden. Mir wurde schon zu Jugendzeiten beigebracht: »Eigentum verpflichtet!« Mit einer durchaus legitimen Abgabe auf das (nach wie vor steigende!) Vermögen der sogenannten »Superreichen« in Deutschland ließen sich zahlreiche soziale Härtefälle aus der Welt räumen.
Martin Vogell 18.12.2020:
Gabriel Felbermayrs Statement entlarvt die soziale Gewissenlosigkeit derer, die über große Vermögenswerte verfügen. Die Bundesregierungen der vergangenen Jahrzehnte dachten und handelten bis zum heutigen Tag leider ebenso. Jüngstes Beispiel aus der aktuellen Krise: das seit der Kanzlerschaft Kohl zunehmend privatwirtschaftlich organisierte Krankenhauswesen.
Hans Dötsch 18.12.2020:
Verena Bentele hat vollkommen recht. Stärkere Schultern müssen auch mehr tragen. Seit vielen Jahrzehnten das gleiche Gejammer: Die Wirtschaft geht kaputt, wenn die Superreichen etwas abgeben sollen. Das Märchen ist auch heute weit weg von der Realität. Übrigens, der Deutsche Aktien-Index steht trotz Corona-Pandemie bei 13 000 Punkten, ein sehr guter Wert.
Gerhard Loettel 18.12.2020:
Was Gabriel Felbermayr von sich gibt, zeigt wieder einmal die völlige Ahnungslosigkeit und Uneinsichtigkeit der wirklichen Probleme, mit denen wir es hier auf dem Planeten zu tun haben. Er schreibt von der Gefahr des Absinkens der »langfristigen Wachstumsdynamik«. Ja, Menschenskinder, haben denn die sogenannten Weltwirtschaftler noch nicht mitbekommen, dass es gerade dieses ungebremste und immer wieder erneut angestachelte Wachstum ist, was uns diese ganzen Probleme einbringt: Klimawandel, Artensterben, Pandemie, Hunger und Trinkwassernot, Hurrikane und Dürregebiete, andererseits Anstieg der Meere und Überflutung von Lebensgebieten, dadurch Migrationsströme und so weiter?
Klaus-Stefan Krieger 18.12.2020:
Eine pauschale Vermögensabgabe oder ein pauschaler Corona-Soli ab einem bestimmten Einkommen ist der falsche Ansatz. An den Kosten beteiligen muss man die Corona-Krisen-Gewinner.
Dr. Klaus-Stefan Krieger 28.11.2020, 16:03 Uhr:
Eine pauschale Vermögensabgabe oder ein pauschaler Corona-Soli ab einem bestimmten Einkommen ist der falsche Ansatz. An den Kosten beteiligen muss man die Corona-Krisengewinnler. Amazon hat seinen Umsatz verdreifacht. Die Steuergesetzgebung muss endlich dafür sorgen, dass die Online-Giganten dort Steuern zahlen, wo sie ihren Umsatz erzielen, und nicht an fiktiven Firmensitzen. Außerdem brauchen wir die Transaktionssteuer. Würden wir Spekulationsgeschäfte so besteuern wie andere Geschäfte (Mehrwertsteuer!), könnten wir die Corona-Hilfen aus der Portokasse zahlen.
Michael Heinrich 24.11.2020, 07:54 Uhr:
Die Frage lautet: "Corona-Abgabe für Besserverdienende?" Während Herr Felbermayr auf diese Frage in der Sache völlig korrekt antwortet, befürwortet Frau Bentele eine "einmalige Vermögensabgabe" - und trifft damit den Nagel auf den Kopf (auch wenn ihre Antwort auf die Frage nach einer Abgabe für "Besserverdiende" nicht wirklich passt).
Verena Benteles Vorschlag ist der einzig richtige, er würde Härtefälle völlig ausschließen und träfe auf ein Heer von Vermögenden, die teilweise sogar freiwillig von ihrem Reichtum abgeben würden. Mir wurde schon zu Jugendzeiten beigebracht: "Eigentum verpflichtet!" Mit einer durchaus legitimen Abgabe auf das(nach wie vor steigende!) Vermögen der sogenannten "Superreichen" in Deutschland ließen sich zahlreiche soziale Härtefälle aus der Welt räumen, ohne hierzulande einen wirtschaftlichen hierzulande befürchten zu müssen.
Insofern pflichte ich Frau Bentele - trotz ihrer in Bezug auf die Fragestellung unpassenden Antwort - uneingeschränkt bei.
Martin Vogell 21.11.2020, 20:11 Uhr:
Frau Bentele kann man nur zustimmen, Herr Felbermayrs Statement entlarvt die soziale Gewissenlosigkeit derer, die über große Vermögenswerte verfügen.
Die Bundesregierungen der letzten Jahrzehnte dachten und handelten bis zum heutigen Tag leider ebenso.
Jüngstes Beispiel aus der aktuellen Krise:
Das seit der Kanzlerschaft Kohl zunehmend privatwirtschaftlich organisierte Krankenhauswesen macht wegen Corona Verluste, die durch öffentliche Gelder aufgefangen werden sollen.
Woher soll das Geld kommen? Aus den Töpfen der gesetzlichen Krankenkassen - und diese erhöhen dann voraussichtlich den ausschließlich von den Versicherten zu leistenden Zusatzbeitrag.
Leider können sich die Beitragszahler dieser weiteren Abzocke nicht entziehen, während die Nichtbeteiligung für vermögende Gutverdiener oberhalb der Bemessungsgrenzen und Konzerne selbstverständlich ist.
Georg Lechner 21.11.2020, 18:59 Uhr:
Die Regierungen müssen insgesamt in die Verantwortung genommen werden, da sie ja per Amtseid auf das Wohl der Bevölkerung verpflichtet sind, bisher aber keine Kooperation erfolgte, um Steuergeschenke (etwa Marke Irland/ Apple) zu vermeiden und wirksame Maßnahmen gegen Steuerflucht (via Briefkastenfirmen), Geldwäsche und Bilanzbetrug (wie bei Wirecard in D. oder der Commerzialbank in Ö.) zu ergreifen: Transparenz von Konten, Besitzverhältnis von Firmen und Stiftungen
Der jährliche, EU-weite Entgang an Mitteln für die öffentliche Hand wird im Fall der Steuergeschenke im gegenseitigen Wettlauf der Nationalstaaten vom EP-Abgeordneten Othmar Karas auf 825 Milliarden Euro geschätzt, im Fall der Steuerflucht für EU plus Großbritannien auf eine Billion € ("Panama Papers", S. 317). Zusammen ist es die Größenordnung des Finanzpakets des heurigen EU-Sondergipfels für sieben Jahre!
Ingrid Boss 20.11.2020, 18:30 Uhr:
Wir vergessen immer wieder, dass Amazon und Google hier nur 0.03 Prozent Steuern zahlen, in Frankreich 6 Prozent.
Was könnten wir gutes mit diesen fehlenden Steuereinnahmen zahlen: z.b. Pflege im Kliniken und Heimen und in der häuslichen Pflege,
ergänzend zum Pflegegeld.