Filmtipp
Mit der Welt hadern, die Menschen lieben
Kino. Als Kind träumte er davon, wie Franz von Assisi zu werden. Tatsächlich ist Abbé Pierre, Begründer der Wohltätigkeitsorganisation Emmaus, dem Status eines Heiligen so nahe gekommen wie in einer säkularen Gesellschaft nur möglich. Der Abbé, bürgerlich Henri Grouès (1912-2007) – das Pseudonym stammt aus seiner Zeit in der Résistance –, ist der meist verehrte französische Nationalheld. Diese Filmbiografie zeigt die wichtigsten Stationen seiner Vita. Im Hinblick auf politische Konflikte wirkt die Chronik gelegentlich zu verknappt. Einnehmend ist aber der Hauptdarsteller, der den Priester als einen Getriebenen porträtiert, der innerlich brennt, andere mitreißt, Großes bewirkt und doch permanent zweifelt. Als junger Kapuzinermönch muss er, häufig krank, das Kloster verlassen. Im Krieg verhilft er Juden zur Flucht. Dann gründet Abbé Pierre ein Heim für die Ausgestoßenen der Gesellschaft, denen er mit einem Gebrauchtwarenhandel Hilfe zur Selbsthilfe ermöglicht. Seine große Stunde schlägt, als er im eisigen Winter 1953/54 mit einem Spendenappell für Obdachlose eine Welle der Hilfsbereitschaft auslöst. Ein Dach über dem Kopf, ein Leben in Würde – mit diesem Mantra tätiger Nächstenliebe gewinnt er neue Helfer und holt zahllose Menschen von der Straße. Seine Organisation entwickelt sich zu einem globalen Unternehmen, dessen Leitung er seiner Mitstreiterin Lucie Courtaz überlässt. Der Abbé wird zum Medienstar und steht noch im hohen Alter in der Suppenküche. Eine Hommage an einen Mann, der mit der Welt haderte, doch in seinen Taten bewies, dass er die Menschen liebte.
Ein Leben für die Menschlichkeit – Abbé Pierre
(F 2023). Film von Frédéric Tellier, 138 Min. Ab 12 J.