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Dieser Artikel stammt aus
Publik-Forum, Heft 16/2023
Der Inhalt:
Religion & Kirchen
Leben & Kultur

Ausstellung
Die Hasengöttin ruft im Park zur Besinnung

»Lob der Stille« heißt die Einzelausstellung der Künstlerin Leiko Ikemura, die derzeit in Potsdam zu sehen ist.
von Alicia Rust vom 22.08.2023
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Mitgefühl mit allen Wesen: Die monumentale Bronze »Usagi Kannon« hat pfotenhafte Hände und Tränen im Gesicht. Die Künstlerin schuf die Figur nach der Reaktorkatastrophe in Fukushima (Foto: Villa Jacobs)
Mitgefühl mit allen Wesen: Die monumentale Bronze »Usagi Kannon« hat pfotenhafte Hände und Tränen im Gesicht. Die Künstlerin schuf die Figur nach der Reaktorkatastrophe in Fukushima (Foto: Villa Jacobs)

Ausstellung. Schon der Titel der aktuellen Einzelausstellung von Leiko Ikemura klingt wohltuend: »Lob der Stille«. Sechs Skulpturen der in Japan geborenen Künstlerin werden im Park der Villa Jacobs in Potsdam gezeigt. Sie sehen aus, als wären sie einer Märchenwelt entsprungen. Zentrales Werk ist eine etwa drei Meter hohe Bronze. »Usagi Kannon« heißt die rund 620 Kilo schwere Gestalt, ein Fabelwesen, halb Mädchen, halb Hase.

Dieser Artikel stammt aus Publik-Forum 16/2023 vom 25.08.2023, Seite 54

Ikemura konzipierte einige Werke eigens für diesen einzigartigen Ort und ließ sich von der Umgebung inspirieren: Ein rund acht Hektar großer historischer Park, 1835 von Peter Joseph Lenné entworfen. Mit Blick über den Jungfernsee, umsäumt von alten Baumbeständen, die Ikemuras Skulpturen wie ein schützender Kokon umgeben.

Leiko Ikemura thematisiert Zwischenwelten. Dabei treten ihre großformatigen Figuren aus Bronze in einen Dialog mit der Natur. Ihre Werke sind als metaphysischer Ausdruck eines Naturraums zu verstehen, der uns alle miteinander verbindet: Menschen, Tiere und Pflanzen. Ein paradiesischer Gedanke.

Die Figur des Hasenmädchens erschuf die Künstlerin nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima im Jahr 2011. Zahlreiche Varianten gibt es davon. Beinahe alle ihre Fabelwesen tragen ausladende Kleider, die innen hohl sind. Fast möchte man sich unter ihnen zum Schutz vor der Außenwelt verkriechen. Wie in dem hohlen Baum, in den Alice einst dem Hasen folgte, der sie ins Wunderland führte. Der Hase, japanisch »Usagi«, steht in der japanischen Kultur für Glück und Fruchtbarkeit. Ikemuras »Usagi« verkörpern Ruhe, Kraft, Schutz.

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Ganz gleich, welches ihrer Werke man betrachtet, immer schwingt das Unsichtbare mit. Faszinierend, aber auch ein bisschen unheimlich. Beim Motiv des Mädchens handelt es sich um ein Sujet, welches die Künstlerin immer wieder bearbeitet. Mal liegt es, mal steht es, mal wird nur ein Fragment gezeigt. Poetische Darstellungen an der Grenze zwischen Traum und Realität.

Am Schwanenweiher liegt ein überlebensgroßer Kopf, eine patinierte Bronzearbeit mit dem Titel »White Sleep«. Man weiß nicht, ob er die geistige Haltung für den Schlaf verkörpert, für den Traum oder
gar für den Tod. Diese Plastik wird dauerhaft in der Sammlung des Skulpturenparks verbleiben.

Ikemuras Werke sind zart, verletzlich und kraftvoll zugleich. Sie tragen die Ursprünge des Lebens in sich, genau wie die Vergänglichkeit. Ihre Werke sind auch als Ausdruck der Sorge über die Zukunft der Natur zu verstehen. Unser Lebensraum ist bedroht. Schönheit und Vergänglichkeit liegen näher beieinander als jemals zuvor.

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