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Bistum Regensburg
»Bischof Voderholzer schadet der Theologie massiv«

Der Bischof will mehr Priester an den Fakultäten. Deshalb bleiben Lehrstühle jahrelang unbesetzt. Unter der Blockade leiden die Kandidaten und die Wissenschaft, sagt Michelle Becka von der AG Christliche Sozialethik.
von Judith Bauer vom 25.03.2024
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Fordert mehr Klarheit im Nihil-Obstat-Verfahren: Michelle Becka, Vorsitzende der AG Christliche Sozialethik (Foto: kna/Jannis Chavakis)
Fordert mehr Klarheit im Nihil-Obstat-Verfahren: Michelle Becka, Vorsitzende der AG Christliche Sozialethik (Foto: kna/Jannis Chavakis)

Publik-Forum: Frau Becka, in Regensburg sind drei Professuren der katholischen Fakultät seit Jahren unbesetzt, unter anderem in der Sozialethik, weil Bischof Rudolf Voderholzer das Unbedenklichkeitsverfahren »Nihil Obstat« nicht einleitet. Er will mehr Priester unter den Professoren. Ist ihm die akademische Qualifikation der Kandidaten nicht so wichtig?

Michelle Becka: Der Eindruck drängt sich auf, aber das kann nur er selbst beantworten. Er schadet jedenfalls der akademischen Theologie massiv; einerseits mit Blick auf die Wissenschaftsfreiheit, weil die wissenschaftliche Qualifikation gegenüber einem anderen Kriterium abgewertet wird, und außerdem hochschulpolitisch, weil die Stellen durch die langen Vakanzen sozusagen entbehrlich erscheinen und solche Verfahren bei anderen Disziplinen erhebliche Irritationen hervorrufen.

Was bedeutet es für den akademischen Betrieb, wenn Professorenstellen so lange unbesetzt sind?

Becka: Es ist ein unglaublicher Aufwand für die Fakultäten. Sie müssen die Lehre aufrechterhalten, mit zeitlich begrenzten Lehraufträgen oder Lehrstuhlvertretungen. Also müssen immer wieder neue Leute gefunden werden. Außerdem fehlt Verlässlichkeit für Studierende. Das verschlechtert die Studienbedingungen und schwächt das Fach.

Konkret geht es dem Bischof um die Priesterquote unter den Professoren. Was halten Sie für eine angemessene Zahl?

Becka: Ich weiß nicht, was eine angemessene Zahl ist, aber ich weiß, dass es kaum qualifizierte Priester gibt, die sich auf diese Stellen bewerben, gerade in der Sozialethik. Die Zahl müsste wohl, wenn man darauf besteht, zwischen der Fakultät und dem Bischof ausgehandelt werden.

Warum braucht es überhaupt Priester als Theologieprofessoren?

Becka: Die Dekrete, die über diese Frage bestimmen, sind Jahrzehnte alt und gehen davon aus, dass ein Großteil der Studierenden Priesteramtskandidaten sind. In anderen Ländern ist das tatsächlich der Fall, und dort mag es sinnvoll sein, dass unter den Lehrenden Priester sind, sozusagen als Modelle für das eigene Leben. Aber in Deutschland hat sich die Situation dramatisch gewandelt, nur sehr wenige Studenten wollen Priester werden. Die Modellfunktion relativiert sich also. Die Gruppe der Theologiestudierenden ist heterogen, es sind sehr viele Frauen darunter. Es sollten also sehr unterschiedliche Menschen Theologie lehren, auch Frauen.

Sie werfen Herrn Voderholzer vor, sein Mitspracherecht zu missbrauchen. Aber als Ortsbischof ist es doch sein Recht, in Berufungsverfahren einzugreifen.

Becka: Aber er greift ja gerade nicht ein. Er hat das Nihil Obstat nicht verweigert, er hat weder Ja noch Nein gesagt, sondern reagiert nicht und lähmt dadurch alle Beteiligten. Es ärgert uns, dass auf dem Rücken der Betroffenen diese Strukturfrage ausgetragen wird. Ich weiß nicht, ob er eine Ahnung hat, was das für die Menschen bedeutet, die auf das Nihil-Obstat-Verfahren warten. Die anhaltende Unsicherheit ist äußerst belastend für Kandidaten und Kandidatinnen und – häufig – ihre Familien.

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Aber selbst wenn der Bischof das Verfahren einleitet, wie Sie fordern, könnte er immer noch die Zustimmung verweigern.

Becka: Das wäre der Worst Case. Aber wenigstens wären die Kandidaten dann nicht mehr in der Schwebe. Eine Vorenthaltung des Nihil Obstat geht oft mit Maßgaben einher, darauf kann man zumindest reagieren. Das eröffnet einen Handlungsspielraum. Jetzt, wo es keine Reaktion gibt, können die Betroffenen nicht handeln.

Wie sollte es weitergehen?

Becka: Bischof Voderholzer sollte handeln. Die zentrale Adresse ist der Bayerische Wissenschaftsminister Markus Blume. Er sollte versuchen, auf den Bischof einzuwirken, damit er das Verfahren voranbringt. Man könnte auch über Vermittlungen nachdenken, der katholische theologische Fakultätentag etwa bietet sich an. Grundsätzlich braucht es mehr Klarheit in Nihil-Obstat-Verfahren.

Wie könnte ein Kompromiss aussehen?

Becka: Es geht im Moment nicht um einen Kompromiss, sondern darum, das Verfahren fortzuführen.

Und wie könnte das Ergebnis lauten? Wenn Bischof Voderholzer auf einer bestimmten Priesterquote besteht und die Fakultät keine Vakanzen mehr will, wer könnte am Ende die Stellen besetzen?

Becka: Das hängt von der Bewerberlage ab. Der Bischof wäre in der Nachweispflicht, dass es qualifizierte Bewerber gibt, und ich weiß nicht, ob er das kann. Gemäß deutschem Hochschulrecht gilt das Prinzip der Bestenauslese. Erst nachgeordnet kann das Priesteramt als Kriterium einfließen. Aber das ist eine strukturelle Frage, und der Bischof versucht, sie in einem laufenden Verfahren zu klären. Mit dieser Verschleppung bringt er die Kandidatinnen und Kandidaten in eine prekäre Situation. Ihnen gilt unsere Solidarität.

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Personalaudioinformationstext:   Michelle Becka ist Professorin für christliche Sozialethik an der Universität Würzburg und Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Christliche Sozialethik.
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