Editorial
Liebe Leserin, lieber Leser,
ganz hinten auf dem Titelbild dieser Ausgabe, wo die Menschen zu Pünktchen werden, da stand ich auf dem Frankfurter Römer und trat von einem Bein aufs andere. Weil es kalt war, und weil mir nicht wohl ist auf Großdemonstrationen. Ich laufe nicht gern hinter Fahnen, die nicht meine sind. Wenn vorne die Rednerin »Wir alle!« ruft, sage ich leise: »Ich nicht«. Trotzdem stand ich da. Weil es um etwas wirklich Wichtiges geht: Ums Zusammenleben, bei dem niemand fürchten muss, aus dem Land gedrängt zu werden, weil er als nicht zugehörig, fremd und falsch definiert wird. Um einen Rechtsstaat, der sich der Menschenwürde verpflichtet weiß. Um das zu verteidigen, braucht es das große Bündnis. Aber was folgt dann? Darüber diskutieren in dieser Ausgabe der Publizist Heribert Prantl und die Parteienrechtlerin Sophie Schönberger; Prantl plädiert für ein Verbotsverfahren gegen die AfD, Schönberger hält dagegen (Seite 12).
Zwei Jahre schon führt Russland den groß angelegten Krieg gegen die Ukraine; der ukrainische Journalist Denis Trubetzkoy beschreibt, wie er und seine Landsleute versuchen, trotz der Angriffe, der Angst, der zunehmenden Verzweiflung Strukturen der Normalität zu erhalten (Seite 22). Als wir vom Tod des Kremlkritikers Alexej Nawalny erfuhren, haben wir Irina Scherbakowa um eine Einordnung gebeten, die Mitgründerin der Menschenrechtsorganisation Memorial, die 2022 den Friedensnobelpreis erhielt. »Nawalny hat gezeigt, wie viel Kraft man erzeugen kann, auch wenn der Gegner übermächtig ist«, lautet ihr Fazit (Seite 26).
Martin Kämpchen, einer der besten deutschsprachigen Kenner Indiens, wirft einen Blick auf das mittlerweile bevölkerungsreichste Land der Erde. Er beschreibt, wie Premierminister Narendra Modi systematisch den Hindu-Nationalismus fördert und nutzt. Kämpchens Befürchtung: Das Land ist auf dem Weg in die Theokratie (Seite 30).
Publik-Forum EDITION
»Das Ende des billigen Wohlstands«
Wege zu einer Wirtschaft, die nicht zerstört.»Hinter diesem Buch steckt mein Traum von einer Wirtschaft, die ohne Zerstörung auskommt. / mehr
Der britische König Charles hat Krebs. Nun müsse er gegen die Krankheit »kämpfen«, heißt es in den Boulevardmedien. Aber kann man dem Krebs »den Krieg erklären«? Die Psychoonkologin Angela Grigelat gibt einige hilfreiche Einordnungen (Seite 44).
Eine anregende Lektüre wünscht
Matthias Drobinskiist Chefredakteur vonPublik-Forum.
Foto: Alessandra Schellnegger