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Dieser Artikel stammt aus
Publik-Forum, Heft 4/2024
Der Inhalt:

Pro und Contra
Demokratie fördern per Gesetz?

Die Ampel-Regierung streitet über das geplante Demokratiefördergesetz. Ein nötiger Schritt oder ein Angriff auf die Meinungsfreiheit? Stimmen Sie ab und diskutieren Sie mit bei unserem Pro & Contra.
vom 20.02.2024
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Nana Gerritzen: Ja!

Seit Wochen gehen Hunderttausende auf die Straße – für Demokratie, gegen Rechtsextremismus. Diese starke Zivilgesellschaft darf nicht alleingelassen werden. Die oft und zu Recht geforderte politische und gesellschaftliche Auseinandersetzung mit den Extremisten und denen, die sie wählen, bedeutet genau das, was die Ampel-Regierung unter dem sperrigen Begriff »Demokratiefördergesetz« im Koalitionsvertrag verankert hat: Demokratiearbeit verbindlich zu fördern.

Dieser Artikel stammt aus Publik-Forum 04/2024 vom 23.02.2024, Seite 8
Demokratie schützen!
Demokratie schützen!
Aber wie?

Der Gedanke ist es, Vereinen und Initiativen, die Bildungsarbeit leisten, die Menschen beim Ausstieg aus extremistischen Gruppierungen unterstützen, dauerhafte Zusagen machen zu können. Oft werden diese Organisationen heute schon gefördert, allerdings müssen sie und ihre Mitarbeitenden jedes Jahr um die weitere Finanzierung bangen. Hier braucht es mehr Planungssicherheit. Die Demokratiearbeit muss aus der ewigen Erst-Projektphase herausgeholt werden. Diese langfristige Absicherung von Demokratieförderung war auch eine der Empfehlungen des Untersuchungsausschusses, den der Bundestag nach der Aufdeckung der Morde des NSU einsetzte. Zudem soll die Zielgruppe der geförderten Projekte erweitert werden. Bisher wurden vor allem Initiativen unterstützt, die sich der Demokratiebildung junger Menschen widmen. Künftig soll die Förderung altersunabhängig erfolgen.

Der Vorwurf, Grüne und SPD wollten mit dem Gesetz eine bestimmte Gesinnung staatlich verordnen und die eigene – möglicherweise linksextreme – Klientel stärken, ist so grotesk wie entlarvend. Für die Demokratie und gegen Menschenfeindlichkeit aufzustehen, ist nicht Linken oder gar Linksextremen vorbehalten. Gerade zeigt sich, dass viele das auch so sehen.

Die Menschen, die landauf und landab gegen Rechtsextremismus demonstrieren, sind Menschen aller Alters- und Gesellschaftsschichten, aller Einkommensklassen. Sie wählen sicher sehr unterschiedliche Parteien. In zwei Dingen aber sind sie sich einig: Sie wollen die Demokratie erhalten. Und sie lehnen Strömungen ab, die viele ihrer Mitmenschen entwerten wollen.

Die aktuell über das Bundesprogramm »Demokratie leben« geförderten Projekte sind öffentlich im Internet einsehbar. Die »Bildungsstätte Anne Frank« und das Projekt »HateAid«, das sich gegen Hass im Netz stark macht, sind darunter. Die Antifa ist nicht gelistet.

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Die Ampel hat das Demokratiefördergesetz zu Recht in ihren Koalitionsvertrag geschrieben. Auch mit Blick auf die Wahlprognosen für Thüringen, Sachsen und Brandenburg täte sie gut daran, Demokratieförderung langfristig abzusichern.

Constantin Wißmann: Nein!

Bei George Orwell war das »Ministerium für Wahrheit« für Propaganda zuständig, das »Ministerium für Frieden« kümmerte sich um den Krieg. Ähnlich verhält es sich mit dem »Demokratiefördergesetz«. Denn hinter dem wohlklingenden Namen verbirgt sich ein Angriff auf einen Wesenskern der Demokratie: die Meinungsfreiheit. Die Philosophen der Aufklärung haben erkannt, dass Demokratie ohne Meinungsfreiheit nicht zu haben ist. Der gerade gefeierte Immanuel Kant erkor »Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen« zum Wahlspruch der Bewegung. Wer sich das nicht traut, so Kant, bleibt unmündig.

Mit dem Gesetz aber spricht die Regierung den Bürgerinnen und Bürgern genau das ab: mündig zu sein. Sie will die Menschen vor »gefährlichen« Meinungen schützen. Was gefährlich ist, bestimmt sie selbst. Sie vermittelt den Eindruck, nur sie und die von ihr als förderungswürdig erachteten Einrichtungen seien in der Lage, die Demokratie zu fördern. Die große Masse sei aber weder intellektuell noch moralisch fähig, Desinformation zu erkennen oder Extremisten zu widerstehen. Sie sollte damit am besten gar nicht erst in Berührung kommen.

Das ist zunächst ungeheuer arrogant. Es entspricht aber auch nicht dem Geist der Verfassung. Strafrechtlich relevant sind »Meinungsdelikte« wie etwa Volksverhetzung oder die öffentliche Aufforderung zu Straftaten. Das Grundgesetz geht aber sonst in seinem Schutz der Meinungsfreiheit recht weit. Darunter fallen gerade auch Meinungen, die den Staat oder das Grundgesetz selbst ablehnen oder »verhöhnen« und auch solche, die andere als extremistisch oder rassistisch wahrnehmen. Meinungsfreiheit gibt es, oder es gibt sie nicht. Und sie ist erst dann gegeben, wenn sie auch Meinungen einschließt, die einen abstoßen. Oder wie es das Bundesverfassungsgericht selbst formuliert hat in einem Urteil aus 2018: »Die mögliche Konfrontation mit beunruhigenden Meinungen, auch wenn sie in ihrer gedanklichen Konsequenz gefährlich und selbst wenn sie auf eine prinzipielle Umwälzung der geltenden Ordnung gerichtet sind, gehört zum freiheitlichen Staat.«

Das »Demokratiefördergesetz« will aber explizit hinausgehen über die bestehenden Regelungen, die die Meinungsfreiheit bereits einschränken. Zu Ende gedacht wird so ein Weg frei gemacht, sämtliche oppositionelle Meinungen zu unterdrücken. Es verwundert, dass sich Innenministerin Nancy Faeser und Thomas Haldenwang, Präsident des Bundesverfassungsschutzes dafür einsetzen. Sie sind die obersten Hüter der Verfassung. Offenbar haben sie diese nicht begriffen.

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Personalaudioinformationstext:   Nana Gerritzen ist Redakteurin im Ressort Politik und Gesellschaft.

Constantin Wißmann ist Redakteur im Ressort Politik und Gesellschaft.
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Demokratie fördern per Gesetz?

Die Ampel-Regierung streitet über das geplante Demokratiefördergesetz. Ein nötiger Schritt oder ein Angriff auf die Meinungsfreiheit? Stimmen Sie ab und diskutieren Sie mit bei unserem Pro & Contra.
32 x Ja!
29 x Nein!
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Roger Peltzer 22.03.2024:
Da behauptet Constantin Wißmann, mit dem Demokratiefördergesetz würden oppositionelle Meinungen unterdrückt. Wo lebt Herr Wißmann? In weiten Teilen Ostdeutschlands hat die AfD eine kulturelle Hegemonie erreicht, wird von Teilen der örtlichen Eliten, Handwerkern und Unternehmern auch finanziell stark unterstützt. Die wenigen beherzten Antifaschisten in diesen Gegenden sind vielfach Ausgrenzungen und öffentlichen Anfeindungen ausgesetzt. Dass sie sich dennoch der AfD entgegenstellen, ist mutig und verdient jedwede Unterstützung – auch durch den Staat. Wie sonst sollen wir uns gegen die sich gerade im Osten ausbreitende AfD wehren? Die Demokraten haben sich schon einmal in der deutschen Geschichte nicht ausreichend gegen die braune Gefahr gewehrt.

Heiner Darre 22.03.2024:
Die Ausführungen von Constantin Wißmann finde ich sehr einleuchtend und gut begründet. Grüne, SPD (auch FDP und CDU) sollten nicht versuchen, die AfD durch ein Demokratiefördergesetz oder Demonstrationen zu bekämpfen. Nur wenn die Einwanderungs- und Integrationspolitik geändert wird, können Wähler der AfD für Grüne, SPD, FDP und CDU zurückgewonnen werden.

Christine Krause 22.03.2024:
Ich glaube nicht, dass die Bildungsstätte Anne Frank oder die Initiative HateAid mit einem Propagandaministerium zu vergleichen sind. Auch scheint mir der Begriff »arrogant« nicht zweckdienlich. Als Lehrerin weiß ich, dass die Fähigkeit zur Meinungsbildung für junge Menschen immer schwieriger wird.

Andreas Schiebe 22.03.2024:
Nana Gerritzen schreibt: »Der Vorwurf, Grüne und SPD wollten mit dem Gesetz eine bestimmte Gesinnung staatlich verordnen und die eigene – möglicherweise linksextreme – Klientel stärken, ist so grotesk wie entlarvend.« Hiermit zeigt sie gerade selber (entlarvend) auf, dass sie für staatlichen beziehungsweise gesetzlichen Meinungsdirigismus ist, was die Demokratie schwächt, statt zu fördern. Constantin Wißmanns Ausführungen in diesem Sinne haben mich angenehm überrascht.

Christine Krause 03.03.2024, 09:21 Uhr:
Ich glaube nicht, dass das Anne Frank Haus oder HateAid mit einem Propagandaministerium zu vergleichen sind. Auch scheint mir der Begriff arrogant hier nicht zweckdienlich. Als Lehrerin weiß ich, dass die Fähigkeit zur Meinungsbildung für junge Menschen immer schwieriger wird.
Zitat Philologenverband:
Ein Teil unserer Kinder und Jugendlichen wird in eine weltanschauliche „Filterblase“ hineingeboren. Gerade während der Coronapandemie wurde dies besonders augenfällig: Da gab es überzeugte Verschwörungsgläubige, die ihre Kinder monatelang nicht mehr zur Schule schickten oder die sich von dem gesamten bisherigen Umfeld abwandten.
Was bedeutet es für junge Menschen, wenn sie in
derartigen Überzeugungssystemen aufwachsen? Was geschieht, wenn sie beispielsweise in der Schule mit Werten und Normen der Gesellschaft in Kontakt kommen, die dazu in starkem Kontrast stehen? Wie können insbesondere Lehrkräfte mit herausfordernden Situation umgehen?

Ute Finckh-Krämer 02.03.2024, 08:37 Uhr:
Ich habe den Eindruck, dass Herr Wißmann den Entwurf des Demokratiefördergesetzes nicht gelesen hat. Sonst wüsste er, dass damit die lange überfällige gesetzliche Grundlage für die Bundeszentrale für politische Bildung geschaffen werden soll (ein wohl unstrittig sinnvolles Anliegen) und zusätzlich eine Grundlage dafür, dass über das seit Jahren bestehende Förderprogramm "Demokratie leben" weiterhin zivilgesellschaftliche Projekte zur Unterstützung der im Grundgesetz genannten demokratischen Prinzipien (zu denen die Meinungsfreiheit selbstverständlich gehört) über reine Pilotprojekte hinaus gefördert werden können. Nicht umsonst ist dieses Förderprogramm im BMFSFJ angesiedelt, denn gerade Jugendliche brauchen Räume über die Schule hinaus, in denen sie demokratische Teilhabe erproben können. Aber auch Organisationen, die sich gegen Diskriminierung einsetzen und bürgerschaftliches Engagement stärken brauchen wir - oft mehr als durch Spenden finanziert werden kann.

Andreas Schiebe 27.02.2024, 15:12 Uhr:
Die Argumente von Frau Gerritzen sind teilweise nachvollziehbar bis auf den Vorwurf: „Der Vorwurf, Grüne und SPD wollten mit dem Gesetz eine bestimmte Gesinnung staatlich verordnen und die eigene - möglicherweise linksextreme - Klientel stärken, ist so grotesk wie entlarvend.“ Hiermit zeigt sie gerade selber (‚entlarvend’) auf, dass sie für staatliche bzw. gesetzlichen Meinungsdirigismus ist, was die Demokratie schwächt, statt zu fördern. Herr Wißmanns Ausführungen in diesem Sinne haben mich angenehm überrascht, diese Meinungsvielfalt gerade bei politischen Fragen hatte ich Publik Forum gar nicht mehr zugetraut!

Reiner Neises 27.02.2024, 07:34 Uhr:
Demokratie ließe sich ganz ohne Gesetz am meisten fördern, wenn die Ampel freie Sachabstimmungen zuließe und die Opposition und die Medien endlich aufhören würden, aus jeder abweichenden Stimmvergabe eine große Nummer zu machen und eine Krise der Regierung herbeizureden und zu -schreiben. Denn wechselnde Mehrheiten sind gelebte Demokratie und das Grundgesetz kennt ohnehin keinen Fraktionszwang. Alle, die dies nicht zulassen wollen, müssen sich ein jämmerliches Demokratieverständnis vorwerfen lassen.

Ullrich Wunderlich 24.02.2024, 11:48 Uhr:
Hartmut Roth hat mir aus der Seele gesprochen!
Dem habe ich nichts hinzuzufügen.

Ingolf Lips 23.02.2024, 16:13 Uhr:

Demokratie kann man nicht durch Gesetz fördern, nur durch vorleben. Druck erzeugt bekanntlich Gegendruck und jeder der "per Gesetz fördern" will unterliegt der Subjektivität. Ein wirklich christliches Verhalten (ohne kirchliche Interessen) beinhaltet auch ein gutes Demokratieverständnis, wir brauchen es nur anwenden.

Georg Lechner 22.02.2024, 17:56 Uhr:
Eine finanzielle Förderung demokratiefreundlicher Initiativen ist durchaus angebracht. Schließlich werden die Gegner in unterschiedlicher Weise gefördert. So erhält die AfD Unterstützung vom geistigen und finanziellen Haupterben des "Arisierers" (der auch die Finanzierung und Bewaffnung der SA unterstützt hat) der Rothschildbank, hetzen die Zentralorgane der Massenverdummung seit Jahrzehnten xenophob (siehe etwa die Auflistung in "Die schützende Hand", S. 115-116). Sonst ist das Gerede von der "wehrhaften Demokratie" für den Kanal.

Hartmut Roth 20.02.2024, 13:53 Uhr:
Wir haben die Demokratie verankert in der Verfassung. Es bedarf deshalb keines weiteren Gesetzes. Es bedarf auch keiner Gesetze, die Einschränkungen der Meinungsfreiheit vornehmen. Alle Meinungen, soweit sie nicht gegen Gesetze verstoßen oder Menschen beleidigen, verleumden oder übel nachreden, müssen erlaubt sein. Des Menschen Meinung gehört zu des Menschen Würde. Des Menschen Meinung kann deshalb zwar nicht mit der Mehrheitsmeinung übereinstimmen, ist aber immer auch Bestandteil des Individuums. Wir kommen sicher nicht mehr aus mit 10 Geboten. Aber weniger Gesetze helfen der Gesellschaft mehr als zu viele Gesetze. Jesus schaffte es mit zwei Gesetzen so zu leben, dass alle von ihm profitieren gekonnt hätten. Du sollst Gott lieben von ganzem Herzen, mit deiner ganzen Seele, mit aller deiner Kraft und mit deinem ganzen Verstand, und deinen Nächsten wie dich selbst. Das bedeutet, respektiere den Schöpfer und das Geschöpf, das gerade neben dir steht. Punkt.

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