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Dieser Artikel stammt aus
Publik-Forum, Heft 14/2024
Der Inhalt:
Religion & Kirchen
Leben & Kultur

Pro und Contra
Ist das Verbot von »Compact« richtig?

Im Juli ging Innenministerin Nancy Faeser mit drastischen Mitteln gegen das Magazin vor. Jetzt hat das Bundesverwaltungsgericht das Verbot teilweise aufgehoben. War es dennoch der richtige Schritt im Kampf gegen Rechtsextremismus? Unser Pro und Contra aus dem vergangenen Monat.
vom 14.08.2024
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Aus und vorbei, vorerst jedenfalls: Das rechtsextreme Compact-Magazin gibt es nicht mehr am Kiosk zu kaufen. (Foto: IMAGO/Arnulf Hettrich)
Aus und vorbei, vorerst jedenfalls: Das rechtsextreme Compact-Magazin gibt es nicht mehr am Kiosk zu kaufen. (Foto: IMAGO/Arnulf Hettrich)

Judith Bauer: Ja!

(Foto: Alex Berry)Seit ein paar Tagen liegen keine Compact-Hefte mehr in den Zeitschriftenregalen, die Internetseite und Social-Media-Kanäle der Plattform sind nicht mehr auffindbar – das ist eine gute Nachricht. Zunächst einmal, weil damit seitenweise rassistischer Hass, antisemitische Hetze und Verschwörungsgeschichten verschwunden sind. Vor allem aber, weil Rechtsextremen gezeigt wurde, dass demokratische Institutionen sich gegen sie wehren.

Dieser Artikel stammt aus Publik-Forum 14/2024 vom 26.07.2024, Seite 8
Mythos Marathon
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Seit 2021 stuft der Verfassungsschutz die Compact-Magazin GmbH als rechtsextremistische Bestrebung ein − Jürgen Elsässer und seine Truppe konnten jedoch weiterhin ihre Texte verbreiten, in Videos ihre Weltsicht teilen und ihren Beitrag leisten zur allgemeinen rechten Stimmungsmache. Das allein hätte die Gesellschaft ertragen müssen. Texte zu veröffentlichen, über die sich demokratisch und antifaschistisch gesinnte Menschen aufregen, rechtfertigt noch kein Verbot. Aber es war eben kein »regierungskritischer Journalismus«, den dieses Heft produzierte. Jürgen Elsässer selbst hat klar gesagt, was er vorhat: »Wir wollen dieses Regime stürzen«, schrieb er vergangenes Jahr. »Wir machen keine Zeitung, indem wir uns hinter den warmen Ofen oder den Computer verziehen und irgendwelche Texte wie eine Laubsägearbeit auf den Markt bringen. Sondern das Ziel ist der Sturz des Regimes.«

Spätestens da ist eine Grenze erreicht. Die Antidemokraten verbreiten ihre Hetze und arbeiten am Umsturz – und die braven Demokraten schauen zu? Wie weit dürfen Rechtsextreme gehen, bevor das Innenministerium einschreitet?

Natürlich hat das Verbot seine Tücken. Medien stehen unter besonderem Schutz, und das ist richtig. Aber die Pressefreiheit gilt nicht uneingeschränkt. Das erklärte Ziel von Elsässer und seinen Leuten ist der Umsturz der demokratischen Ordnung, sie verbünden sich dafür mit politischen Parteien wie der AfD und rechtsextremistischen Organisationen wie der Identitären Bewegung. Und sie drucken ein Heft, in dem sie ihre Verachtung für die verfassungsmäßige Ordnung und ihren Hass auf Minderheiten regelmäßig kundtun.

Ein Gericht wird das Verbot prüfen und möglicherweise zu dem Schluss kommen, dass es nicht rechtens ist. Allein das gilt manchen schon als Argument gegen ein Verbot: Man solle den Rechten bloß keinen Grund geben, sich als Opfer des Rechtsstaats zu inszenieren. Aber das tun sie ohnehin. Die staatlichen Institutionen dürfen sich dagegen ruhig auch mal inszenieren: als Einrichtungen mit klarem Kompass für das, was im demokratischen Rahmen ist und was nicht. Wenn daraus praktisch folgt, dass weniger rechte Hetze im Regal liegt, umso besser.

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Constantin Wißmann: Nein!

(Foto: Ute Victor)Es fällt einem nicht leicht, für die Verteidigung des Magazins Compact einzutreten. In den Heften wird gegen Migranten und Juden gehetzt und prorussische Propaganda betrieben, Verschwörungsmythen werden genüsslich ausgebreitet. Die Redaktion um den vom Links- zum Rechtsextremisten gewandelten Jürgen Elsässer raunt und schwurbelt, dass sich die Balken journalistischer Standards nicht nur biegen, sondern längst zerborsten sind. Es tut weh, dass solche menschenverachtenden Inhalte veröffentlicht und vor allem auch gelesen werden.

Aber: All das ist kein Grund, eine Zeitschrift zu verbieten. Die Verfassung ist da eindeutig: »Eine Zensur findet nicht statt.« Die Meinungs- und Pressefreiheit gehört zu den Grundrechten, und sie gilt auch für schreckliche Meinungen. Erlaubt ist alles, was nicht verboten ist. Und was verboten ist, ist gesetzlich geregelt, dazu gehört Verleumdung, Beleidigung und Volksverhetzung. Selbst wenn einzelne Beiträge aus Compact darunter fallen sollten, dürfte es juristisch kaum möglich sein, gleich die ganze Zeitschrift zu verbieten.

Innenministerin Nancy Faeser weiß das auch. Sie hat deshalb einen Trick bemüht, auch, weil Pressevergehen eigentlich Länder- und nicht Bundessache sind. Sie hat das Vereinsrecht angewendet, denn Vereinigungen, die »gegen die verfassungsmäßige Ordnung« verstoßen, können vom Bund tatsächlich verboten werden. Der Trick ist aber allzu leicht zu durchschauen. Denn damit geht der Staat gemeinhin gegen Schlägertrupps von rechts und links vor oder gegen Menschen, die sich zusammentun, um einen Anschlag zu planen. Eine direkte Linie von den Beiträgen in Compact zu politischer Gewalt dürfte schwer nachzuweisen sein.

Es liegt nahe, dass das Vereinsrecht in diesem Fall nur ein vorgeschobenes Argument ist, um tatsächlich ein missliebiges Presseorgan zu verbieten. Innenministerin Faeser selbst hat zur Begründung dazu auf »X« geschrieben, Compact agitiere auf »unsägliche Weise«. Was eine Ministerin »unsäglich« findet, ist im besten Fall irrelevant für ein Verbot und im schlechtesten Fall ein erschreckend hemdsärmeliger Umgang mit Grundrechten.

Und auch politisch ist es ein dünnes Drahtseil, auf dem Faeser sich bewegt. Man kann sich das Triumphgeheul von rechts vorstellen, sollte ein Gericht das Verbot von Compact wieder kassieren, was nicht unwahrscheinlich ist. Die Verschwörungstheorie, der Staat würde seine Kompetenz überdehnen, um missliebige Kritik zu unterdrücken, bekäme Futter. Für Faesers Kampf gegen Rechtsextremismus wäre das eine Katastrophe.

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Personalaudioinformationstext:   Judith Bauer ist Redakteurin im Ressort Religion und Kirchen bei Publik-Forum.

Constantin Wißmann ist Redakteur im Ressort Politik und Gesellschaft bei Publik-Forum.
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Ist das Verbot von »Compact« richtig?

Im Juli ging Innenministerin Nancy Faeser mit drastischen Mitteln gegen das Magazin vor. Jetzt hat das Bundesverwaltungsgericht das Verbot teilweise aufgehoben. War es dennoch der richtige Schritt im Kampf gegen Rechtsextremismus? Unser Pro und Contra aus dem vergangenen Monat.
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Irmgard Winkelnkemper 30.08.2024:
Ich kann mich nur der Meinung anschließen, dass eine Zeitung, die Volksverhetzung betreibt und die kundtut, dass ihr Ziel der Sturz unserer Demokratie ist, verboten wird. Dinge zu schreiben, die öffentlich gesagt, strafbar wären, ist eine Herausforderung unter dem Deckmantel der Pressefreiheit. So gewöhnt man die Leser an unmenschliches Verhalten. Die Folgen hatten wir ja schon mit dem »Hundertjährigen Reich« Hitlers. Danke, einmal reicht!

Helga Gruber 30.08.2024:
Ich möchte nicht vorgeschrieben bekommen, wie und wo ich mich informiere. Ich muss ja die Zeitschrift nicht lesen, wenn mir Stil, Argumente und Behandlung einer Thematik nicht zusagen. Als mündige Bürgerin bin ich selbst dafür verantwortlich, was ich lese und welche Schlüsse ich daraus ziehe. Die Politik sollte mehr auf den mündigen Bürger vertrauen, statt ihm aufgrund eigener Meinung eine Entscheidung einfach vorweg abzunehmen, angeblich um ihn zu schützen. Vor was? Den Anforderungen des Lebens?

Christof Ernst 30.08.2024:
Wer als Verleger sagt, sein Ziel sei der Umsturz dieses Staates und das immer wieder öffentlich propagiert, ist kein Journalist, sondern ein publizistischer Terrorist. Seine Gesinnung ist durch keine noch so liberal interpretierte Pressefreiheit gedeckt. Deshalb ist ein Verbot von »Compact« nicht nur richtig, sondern auch zur Rettung der Demokratie geboten. Das sage ich als seit nahezu 50 Jahren tätiger Journalist.

Dierk Otto 14.08.2024, 14:42 Uhr:
Ich bin so froh über das heutige Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes!
Liebe Leute, argumentiert bitte gegen jede Art des Extremismus politisch und fordert nicht autoritäre Maßnahmen des Staates ein, wie das Aushebeln der Pressefreiheit. Nein, der Zweck (es geht ja gegen rechts...) heiligt NICHT die Mittel!

Irmgard Winkelnkemper 03.08.2024, 14:27 Uhr:

Ich kann mich nur der Meinung anschließen,dass eine Zeitung. die Volkvertzung betreibt und auch noch kund tut, das ihr Ziel der Sturz unserer Demokratie ist, verboten wird. Unser Grundgesetz fordert ganz anderes Verhalten. Dinge zu schreiben, die öffentlich gesagt, (z.B. meinem Nachbarn,) strafbar wären, ist eine Herausforderung unter dem Deckmantel der Pressefreiheit. So gewöhnt man die Leser an unmenschliches Verhalten. Die Folgen hatten wir ja schon mit dem "Hunderjährigem Reich" Hittlers. Danke, einmal reicht!!!

Helga Gruber 30.07.2024, 16:03 Uhr:
Die Meinungsfreiheit ist ein sehr hohes Gut, das die Politik zu schützen hat. Das ist ihre Aufgabe.
Ich möchte nicht vorgeschrieben bekommen wie und wo ich mich informiere. Ich muss ja die Zeitschrift nicht mehr lesen wenn mir Stil, Argumente und Behandlung einer
Thematik nicht zusagen. Als mündige Bürgerin bin ich selbst dafür verantwortlich was ich lese und welche Schlüsse ich daraus ziehe.
Sonst müssten auch Artikel in renommierten Zeitungen und Aussagen in Radio und Fernsehberichten zu deren Verbot führen. Ein unvorstellbarer Gedanke.
Die Politik sollte mehr auf den muendigen
Bürger vertrauen als ihm aufgrund eigener Meinung eine Entscheidung einfach vorweg abzunehmen, angeblich um ihn zu schützen.
Vor was? Vor den Anforderungen des Lebens?
Freundliche Grüße

[email protected] 28.07.2024, 18:07 Uhr:
Herr Wißmann hat eine wichtige Einschränkung der Meinungsfreiheit nicht beachtet. Art. 5,Abs. 2 erwähnt auch das Recht der persönlichen Ehre.
Dies ist durch Art.1 GG bedingt. Ziff.1: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Daher ist nicht nur Volksverhetzung , sondern auch Hetze gegen Einzelne bzw. Gruppen verfassungswidrig.

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